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Dominic Johnson über Keir Starmers MigrationspolitikDen Rechten nachlaufen

Ein Regierungschef, der vor Überfremdung warnt und ankündigt, anders als seine Vorgänger endlich Ordnung zu schaffen, die Landesgrenzen unter Kontrolle zu bekommen und die Einwanderung zu verringern – wo würde man den politisch verorten? Richtig: bei der Sozialdemokratie in Zeiten desaströser Umfragewerte. Das am Montag von Großbritanniens Labour-Premierminister Keir Starmer veröffentlichte Weißbuch zu einer neuen Migrationspolitik ist zwar ein relativ technischer Katalog detaillistischer Einzelmaßnahmen, die die ab der Regierungszeit von Boris Johnson massiv gestiegene legale Zuwanderung reduzieren sollen. Doch Starmer stellte das in so markigen Worten vor, dass man ihn glatt mit Nigel Farage verwechseln könnte, dessen rechtspopulistische Partei Reform UK gerade die Regionalwahlen in England gewonnen hat. Der Labour-Premier setzte hohe Einwanderung mit „Chaos“ gleich und warnte vor einer Verwandlung Großbritanniens in eine „Insel von Fremden“.

Es ist ein Paradox, das europäische Beobachter nur schwer verdauen dürften: Die Konservativen waren es, die die britischen Grenzen weit öffneten für legale Zuwanderung aus aller Welt statt wie zuvor nur aus der EU. Die Labour-Regierung will sie jetzt wieder schließen. Die Migration ist nicht der einzige Politikbereich, in den diese vordergründig verkehrte Welt einzukehren scheint. Am Dienstag verkündete die Regierung Starmer, sie werde den Entwicklungshilfeetat halbieren – unter dem konservativen Premierminister David Cameron hatte Großbritannien einst als erstes G7-Land das 0,7-Ziel für Entwicklungshilfe erreicht.

So verschiebt Labour die politischen Koordinaten. Die rechten Forderungen eines Nigel Farage werden der Standard, an dem sich andere messen. Gewinnen kann Starmer dieses Rennen nicht. Selbst nach Angaben der Regierung wird die neue Migrationspolitik die Zahl legaler Migranten lediglich um 100.000 pro Jahr reduzieren – viel zu wenig, um diejenigen zu befriedigen, die von „Überfremdung“ überzeugt sind. Starmers politisches Scheitern ist also vorprogrammiert. Wer davon profitiert, ist klar.

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