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Archiv-Artikel

Dieter Wiene empfiehlt: Dinosaur jr.

„Dinosaur jr.“ spielen in der Urbesetzung. Etwas, was sie seit 18 Jahren nicht gemacht haben. Es gibt Bands, bei denen die Chemie einfach genau stimmt. „Dinosaur jr.“ gehören dazu. J. Mascis an Gitarre und Gesang, Lou Barlow am Bass, der hoffentlich auch seine Tapeloops mitbringt, und Murph an den Drums. Nach dem Weggang Lou Barlows 1988 waren sie zwar immer noch eine gute Band mit einem großartigen Songwriter und Gitarristen – J. Mascis eben –, der sich allerdings gerade live nicht immer ganz im Zaum hatte. Dagegen die Urbesetzung, die ich das Glück hatte, 1988 im Vera in Groningen zu sehen: eine gnadenlose Noise-Attacke mit endlosen Momenten bestechender Schönheit. Aber der Reihe nach: „You‘re Living All Over Me“, das zweite „Dinosaur jr.“-Album von 1987, ist immer noch meine liebste Rock-Platte, die Platte, die all den Retro-Rock dieser Tage so alt und clean erscheinen lässt. Ein unglaubliches Gebräu aus Punk, Metal und Neil Young auf Speed. Ökonomische Soli von überirdischer Schönheit erstrahlen über der vielschichtigsten Soundgrundierung diesseits von „My Bloody Valentine“. Und aus dieser Kakophonie erheben sich die unglaublichsten Melodien. Da geht die Sonne auf, denn nichts ist schöner als der Moment, in dem eine strahlende Melodie erblüht, die sich den Weg durch meterdicken Lärmschlamm gebahnt hat. Und solche Momente gibt es zuhauf auf diesem Album. Live legte Lou Barlow noch eine Schicht mehr drauf. Seine verwegenen Noise-Tape-Loops liefen das ganze Set hindurch in beachtlicher Lautstärke. Kaum wahrnehmbar wenn die Band loslegte, aber in den Pausen zwischen den Songs verhindernd, dass das frenetische Publikum sein eigenes Klatschen und Johlen hören konnte. Drummer Murph drosch auf die Felle ein wie das Tier aus der Muppet-Show. Barlow und Mascis spielten die meiste Zeit mit dem Rücken zum Publikum. Ein derartig konsequentes „It‘s the music that matters“ habe ich selten vernommen. Sollte die Reunion auch nur halb so gut werden, ist das trotzdem noch besser als das meiste Restliche, was heutzutage so durch die Lande tingelt.

Freitag, 20.30 Uhr, Schlachthof