Dieter Nuhr über den "Satire-Gipfel": "Ziel ist, das Publikum zu irritieren"
Am Donnerstag übernimmt Dieter Nuhr den "Satire-Gipfel" der ARD. Ein Gespräch über Kabarett, schlechte Kohl-Witze, Twitter und die Vorzüge von Mario Barth.
taz: Herr Nuhr, Sie hatten vor zwei Wochen einen Skiunfall. Können Sie schon wieder lachen?
Dieter Nuhr: Lachen tut noch weh, aber das ist ja bei Satire gar nicht so schlecht. Es ist ja der Sinn der Sache, dass man ein bisschen dran zu beißen hat.
Sie übernehmen ab heute den ARD-"Satire-Gipfel" von Mathias Richling. Das war bisher eine Kabarettsendung. Sie machen auch viel Comedy. Wo sehen Sie da die Grenze?
Für mich ist Comedy in erster Linie lustig, und Kabarett legt Wert darauf, über Gott und die Welt und Realität zu sprechen. Ich versuche beides.
Der "Satire-Gipfel" und sein Vorgänger "Scheibenwischer" waren eher Programme für Ältere. Wird sich daran etwas ändern?
Erfahrungsgemäß ist mein Publikum etwas jünger als das Publikum von Kabarettsendungen im Fernsehen. Ich kann mir vorstellen, dass da einige einschalten werden, die vorher nicht zugeschaut haben. Auf der anderen Seite wird Mathias Richling mit seinen Parodien bestimmt auch vielen fehlen. Ich kann nur meine Form von Humor auf die Bühne bringen. Und deshalb haben die mich – glaube ich – auch gefragt, ob ich das mache. Wer dann nachher zusieht, darum habe ich mich noch nie gekümmert.
Die ARD hat da doch sicherlich eine Verjüngungsstrategie im Hinterkopf. Oder?
Ich habe mit den Verantwortlichen darüber gar nicht gesprochen. Aber ich denke schon, dass sie versuchen, ein etwas jüngeres Publikum anzusprechen.
Jahrgang 1960, deutscher Kabarettist und Moderator. Er gilt als Vermittler zwischen klassischem Kabarett und Stand-up-Comedy. Neben Auftritten bei den ARD-Sendungen "Scheibenwischer" und der "Harald Schmidt Show" war er auch schon bei den Privaten, etwa im "Quatsch Comedy Club" oder in der "Schillerstraße" zu sehen.
Sie twittern auch. Ist das Ihre Strategie zur Zielgruppenverjüngung?
Das ist für mich eine Art Disziplinierungsmaßnahme. Twitter zwingt mich dazu, kurze Pointen zu schreiben. Und zwar täglich. Das diszipliniert und es macht Spaß. Ich benutze Twitter eigentlich als Verlautbarungsorgan. Ich kommuniziere nicht mit den anderen und warte, was sie antworten. Da würde ich wahnsinnig.
Kabarett ist ja auch kein Dialog.
Eben. Ich bin das nicht gewöhnt. Das ist wahrscheinlich eine charakterliche Verformung – dass ich daran gewöhnt bin, selbst zu sprechen, mir aber egal ist, ob jemand zuhört.
Glauben Sie, dass Ihnen die Rolle als Gastgeber schwerfallen wird?
Nein. Ich moderiere eigentlich gerne. Moderieren heißt immer auch, sich ein bisschen zurückzunehmen und andere vorzulassen. Und mein Bedürfnis, immer im Mittelpunkt zu stehen, hält sich in Grenzen. Beim "Satire-Gipfel" habe ich aber noch einen relativ hohen Textanteil. Das ist so eine Mischform aus Soloprogramm und Moderation.
Wen wollen Sie einladen?
Eines der größten Probleme der Sendung ist mit Sicherheit die Auswahl der Gäste. Heute kommt Andreas Rebers, einer der wenigen im Kabarett, die einen immer wieder überraschen, die man nicht positionieren kann. Das ist etwas, das ich lustig und gut finde. Das Ziel ist ja nicht, den Zuschauern das Gefühl zu geben, dass man dasselbe denkt wie sie. Sondern eher, das Publikum zu irritieren und zum Selberdenken zu bringen.
Wie finden Sie eigentlich Mario Barth?
Ich mag an Mario Barth, dass er 70.000 Leute in einem Stadion zum Lachen bringt. Wenn jemand so etwas schafft, dann sage ich zu allererst: Respekt. Warum man das immer diskreditieren muss, verstehe ich nicht. Natürlich sind das großteils Witze, die eher Menschen ansprechen, die vielleicht einen einfacheren Humor haben. Aber das ist ja nichts Schlimmes.
Wie politisch wird der neue "Satire-Gipfel"?
Ich glaube, das Politische ist im Kabarett oft falsch verstanden worden. Das politische Kabarett hat sich in den Achtzigern mit Witzen über Helmut Kohls Körperumfang am Leben gehalten. Das war für mich nicht politisch. Denn ob der Mann dick ist oder nicht, hat auf mein Leben keinen Einfluss. Bei uns wird Politik eine Rolle spielen, aber es wird eher um allgemeinere gesellschaftspolitische Dinge gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern