Die irakischen Sunniten haben sich am Referendum beteiligt : Eine taktische Entscheidung
Es war auf den Tag genau vor drei Jahren, als Saddam Hussein seine letzte große Show veranstaltete. In einer Angstwahl ließ er sich in einem Referendum von angeblich 100 Prozent der Iraker im Amt bestätigen. Viel Wasser ist seitdem den Tigris und Euphrat heruntergeflossen, auch viel blutiges. Am Wochenende waren die Iraker erneut zu den Urnen gerufen: diesmal in einem Referendum, um für eine Post-Saddam Verfassung zu stimmen.
Es gibt durchaus Positives zu berichten. Anders als am Tag der Parlamentswahlen im Januar, an dem über 350 Anschläge gezählt wurden, verlief der jetzige Wahlgang weitgehend friedlich. Und eine andere gute Nachricht für den schwierigen politischen Prozess: Die Sunniten haben sich diesmal, ebenfalls anders als im Januar, an den Wahlen beteiligt. Freilich meist in der Hoffnung, den Verfassungsentwurf, der ihrer Meinung nach die Einheit des Landes bedroht, mit einer Neinstimme zum Kippen zu bringen. Ihre Chance als Minderheit: Wenn der Entwurf in drei Provinzen von zwei Dritteln der Wähler abgelehnt wird, kommt er zu Fall. Die Sunniten stellen in vier Provinzen die Bevölkerungsmehrheit. Offensichtlich war in diesem Zusammenhang auch die Zurückhaltung der sunnitischen Guerilla eine taktische Entscheidung, solange die Möglichkeit besteht, politisch anstatt militärisch ein Ziel zu erreichen.
Aber der sunnitische Enthusiasmus könnte sich als sehr kurzatmig erweisen. Wenn die sunnitische Rechnung nicht aufgeht, den Entwurf politisch zu Fall zu bringen, dann könnte die jetzige Entscheidung für einen politischen Weg schnell wieder in militärische Aktivität umschlagen.
Abhängig vom Ergebnis des Referendums wird sich in den nächsten Tage und Wochen zeigen, ob die Guerilla tatsächlich eine längere Pause einlegt. Wenn das so ist, fragt sich, wie lange diese andauern kann. Die Antwort hängt von einer ganz einfachen Kalkulation ab: Die Sunniten suchen ihren Platz im neuen Irak. Bisher sehen sie sich als die großen Verlierer. Wie können sie langfristig mehr erreichen: mit politischen oder mit militärischen Mitteln? KARIM EL-GAWHARY