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Die drei von der Grabstelle Von Ralf Sotscheck

Na endlich. Frauen haben eine weitere Männerdomäne in Großbritannien erobert: Beerdigungen. Im südwalisischen Newport haben drei Frauen ein Begräbnisinstitut aufgemacht – „Martha's Funerals“, benannt nach der Frau von Lazarus, der von Jesus angeblich wieder zum Leben erweckt wurde. Eigentlich kein vertrauenswürdiger Name: Er legt die Vermutung nahe, daß die von Martha Begrabenen nicht lange unter der Erde bleiben werden. Und auch die Reklame ist ungewöhnlich: Blair- grinsend gucken die drei durch ein Fenster aus einem Sarg heraus.

Der Markt ist lukrativ. Jedes Jahr setzt die Branche umgerechnet fast drei Milliarden Mark um. Suzanne Nutt vom Begräbnistrio bringt die besten Voraussetzungen für den Job mit. „Es ekelt mich nicht, neben einem Sarg zu stehen“, sagt sie. „Ich rede mit den Leichen. Ich finde es wichtig, zu begreifen, daß die Verstorbenen ihren Verwandten eine Menge bedeutet haben.“

Ihr Ehemann Steve Nutt, der in der Grafschaft Somerset Öko- Beerdigungen anbietet, findet die Idee seiner Frau prima. „Wenn eine Frau ihr ganzes Leben lang zu einer Ärztin gegangen ist“, meint er, „dann wird sie es wahrscheinlich auch vorziehen, von Frauen unter die Erde gebracht zu werden.“ Die Zielgruppe sind aber nicht nur Witwen, sondern vor allem Witwer. „Ein Ehepaar war lange verheiratet, und dann stribt die Frau“, erläutert Lyn Teague, eine der drei Trauerprofis. „Sie ist niemals von einem anderen Mann berührt worden, und der Witwer will, daß das so bleibt.“

Die Frauen holen die Leiche ab, machen sie für die Beerdigung zurecht, fahren den Leichenwagen und arrangieren die Totenfeier. Da sie die schweren Särge nicht in die Kirche tragen können, haben sie dafür einen Rollwagen angeschafft. An eins haben sie allerdings nicht gedacht: die Bewachung des Grabes. Und das ist in Britannien offenbar nötig.

Vorige Woche ist auf dem Friedhof von Tottenham in London ein Mann erwischt worden, als er einen Grabstein mit einer Schubkarre abtransportierte. Als die Polizei seine Zwei-Zimmer- Wohnung durchsuchte, fand sie 277 weitere Exemplare. Die Dinger lagen überall: in der Küche, in den Schränken, unter dem Fernseher, im Flur. Einige waren zu Schreinen aufgeschichtet, andere dekorierten die Wände. Man habe sich in der Wohnung vor lauter Grabsteinen kaum bewegen können, sagte ein Polizist.

Der Bewohner der Gruft ist behördlich bekannt: Vor drei Jahren hat man ihm wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses Friedhofsverbot erteilt. Seitdem verschwanden regelmäßig Grabsteine. Er nahm aber nur die schönsten Exemplare aus Granit oder Marmor, der Wert der schweren Beute belief sich auf fast 60.000 Mark. Außerdem fand man in der Wohnung Urnen voller Asche und eine Knochensammlung.

Ein 19jähriger Nachbar des Grabräubers wartete nicht erst, bis die Leute tot waren, um sie zu bestehlen. Die Polizei fand, ebenfalls in der vergangenen Woche, rund hundert Gehhilfen in seinem Haus und Garten. Alle waren aus dem Bartholomäus-Krankenhaus im Zentrum Londons geklaut worden. Wenn die Sache mit Jesus, Lazarus und dem Lahmen stimmt, haben der Grabräuber und der Gehhilfendieb nichts zu lachen.

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