Die Staatssicherheit sagte der DDR ihre Pleite voraus

■ Zukunft war 89 „substantiell nicht gesichert“

Berlin (taz) – Die DDR stand Ende 1989 unmittelbar vor der Pleite. Dies geht aus Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) hervor, die erst jetzt in der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen aufgefunden wurden. In einer Analyse, die von Mitarbeitern der Stasi-Hauptabteilung HVIII (Sicherung der Volkswirtschaft) erstellt wurde, warnten die MfS-Mitarbeiter am 27. Oktober 1989 vor den „Konsequenzen der unmittelbar bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit“, in deren Folge „der internationale Währungsfonds bestimmen würde, was in der DDR zu geschehen hat“. Die Stasi-Experten kamen zu der Konsequenz, daß „die Fortführung der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Sicherung des erreichten materiellen Lebensniveaus sowie die Aufrechterhaltung einer stabilen Versorgung der Bevölkerung“ mit den für den Zeitraum 1991 bis 1995 geplanten Maßnahmen der DDR- Führung „substantiell nicht gesichert“ seien. Der langjährige Chef der Staatlichen Plankommission der DDR, Gerhard Schürer, bestätigte gegenüber der taz, Ausarbeitungen der Hauptabteilung HVIII und deren Autoren gekannt zu haben. Schürer: „Was sie zur Krise der DDR- Ökonomie zu sagen hatten, war hart an der Wirklichkeit.“

Im internationalen Vergleich, listeten die MfS-Mitarbeiter auf, liege die DDR in der „Arbeitsproduktivität gegenwärtig um 40 Prozent hinter der BRD zurück“. Wegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit befürchteten sie Auflagen des internationalen Währungsfonds, der von der DDR eine „Reprivatisierung von Unternehmen“, einen umfassenden Subventionsabbau und Untersuchungen zur Geldstabilität und Kostenentwicklung hätte fordern können. In einer Stellungnahme an das Politbüro des ZK der SED zu einer „Konzeption des Ansatzes für den Fünfjahrplan 1991 – 1995“ warnten die Stasimitarbeiter vor Problemen „mit hoher Bevölkerungswirksamkeit“. Wolfgang Gast

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