: Die Schiene bekommt mehr Geld
Unter der Ampelkoalition wurde so viel Geld in den Gleisausbau investiert wie lange nicht. Geplant hat sie aber nicht genug, genauso wenig die neue Regierung, kritisieren Verbände
Von Eva Kaiser
Investitionen in die Schiene waren 2024 74 Prozent höher als im Vorjahr. Das entspricht pro Kopf 198 Euro, wie die beiden Verbände Allianz pro Schiene und SCI Verkehr ausgerechnet haben. Berücksichtigt haben sie in ihrer Auswertung nur reine Bundesmittel. Das heißt, Investitionen, die zum Beispiel die bundeseigene DB AG tätigte, zählten nicht dazu.
Zum Vergleich: 2023 lag der Betrag noch bei 115 Euro. „Das ist eine gigantische Steigerung“, sagte am Montag dazu der Geschäftsführer von Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Viel mehr Geld hätte ihm zufolge gar nicht verbaut werden können. Das liege auch an der Ziellosigkeit, mit der sowohl die vergangene als auch die jetzige Regierung den Schienenausbau vorantreibe. Einen Plan für den flächendeckenden Ausbau gebe es nach wie vor nicht.
Statt weiterhin auf das Prinzip Hoffnung zu setzen, würde der SCI Verkehr lieber verbindliche Maßnahmen sehen, betont Maria Leenen, Geschäftführerin des Beratungsunternehmens.
Eine reine Erhöhung der Ausgaben genüge nicht, so Leenen. Es brauche auch einen Paradigmenwechsel in der Planung. Abschauen solle man sich die zum Beispiel von der Schweiz. Dort lege die Regierung klare Ziele fest, die von den Bahngesellschaften dann in ein konkretes Angebot übersetzt werden: Welche Strecke soll ausgebaut werden? Was kostet das? Wie lange dauert das? Darüber schließe die Regierung dann Verträge ab, die sie engmaschig überwache. Zwar hätten Bund und Bahn in der Vergangenheit ebenfalls Verträge abgeschlossen, sagt Leenen. Diese seien indes mit Nachforderungen immer wieder belastet worden. Das habe zu einem Hin- und Herschieben von Verantwortung geführt. „Organisierte Verantwortungslosigkeit“ nennt Flege von der Allianz Pro Schiene das. Statt harter Vorgaben gebe es in Deutschland nicht einmal ein übergeordnetes Ziel für den Schienenausbau, welche Zwecke die Schiene konkret erfüllen soll.
Andreas Knie, Verkehrsforscher
Was die Verbände mit Blick auf die Rekordinvestitionen zudem sehr geschmerzt habe, sei der hohe Preis, den der Güterverkehr zahlen müsse. Denn das Geld stellte die Ampel in Form einer Eigenkapitalerhöhung zur Verfügung, weil sie nicht auf die Schuldenbremse angerechnet wird. Die Eigenkapitalerhöhung bedeutet allerdings, dass die Deutsche Bahn auch mehr Zinsen zahlen und somit mehr Gewinn erwirtschaften muss. Die Renditeerwartung von zwei Prozent versucht sie über höhere Trassenpreise zu erreichen, eine Art Schienenmaut – sehr zum Ärgernis insbesondere von Güterverkehrsunternehmen. Zumindest dies werde ab kommendem Jahr geändert und die Bahn solle wieder Baukostenzuschüsse erhalten, die sie nicht verzinsen müsse, so Flege.
Aber: An der fehlenden Zielsetzung und Planungssicherheit habe sich nichts geändert – das kritisiert auch der Verkehrsforscher Andreas Knie. Er weist zudem auf die geplanten Kürzungen im Fernverkehrsangebot hin, die die Bahn plane, um in die schwarzen Zahlen zu kommen. „Die Bahn ist außer Rand und Band“, so Knie. Er fordert deshalb eine Staatskommissarin, die unter dem Verkehrsministerium den Schienenausbau in Gänze koordiniert.
Somit seien die positiven Zahlen keinesfalls ein Signal sich auszuruhen, betont Flege. Wichtig sei nach wie vor, dass Investitionen verstetigt würden. Dies ist auch im Sondervermögen der aktuellen Regierung nicht der Fall, das weiterhin mit Befristungen arbeite: „Der Abbau des Investitionsstaus ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“ Die Allianz pro Schiene fordert deshalb, den für 2027 angekündigten Eisenbahninfrastrukturfonds deutlich früher einzurichten.
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