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Archiv-Artikel

Die Grünen haben Grund, die Linkspartei-Konkurrenz zu fürchten Sozialstaat im Herzen, Stimmzettel wohin?

Noch lange werden sich die Grünen bei Oskar Lafontaine für ein Wort bedanken können, das dieser 2005 im Wahlkampf verwendete: „Fremdarbeiter“. Weil der heutige Linksfraktionsvorsitzende blöd genug war, im Osten Stimmung gegen Jobmigration zu machen, ziehen die Grünen bis heute den „Fremdarbeiter“ aus dem Ärmel, wenn sie einen grundlegenden Unterschied zwischen Linkspartei und sich selbst markieren wollen. Demnach wäre die Linkspartei in Wirklichkeit eine Rechtspartei, weil im Kern rassistisch, die Grünen dagegen der einzige Hort aufgeklärter Multikulturalität.

Vielleicht aber wird diese Abgrenzungsmelodie bald eiern. Die Grünen haben Grund, die Avancen von WASG und Linkspartei an ihre Klientel zu fürchten. Denn deutlich bemerkbar macht sich dort jetzt eine Generation, der man weder Lafontaines Populismen noch ranzigen PDS-Seniorenstarrsin vorwerfen kann. Hat sie Erfolg, verlieren die Grünen ihr Copyright auf Antirassismus. Und dann wird sich zeigen, dass die Linkspartei auch in anderen Politikfeldern bei den Wählern punkten kann, auf die auch die Grünen bauen: bei der akademischen Linken mit Sozialstaat im Herzen.

Gezeigt hat sich das schon bei der Bundestagswahl: Gut 240.000 Stimmen verloren die Grünen damals nach Links, das entsprach dem Löwenanteil ihrer Verluste. Das war zwar nur das Ergebnis einer Befragung, und sicher war die Enttäuschung über Rot-Grün bei vielen Wählern da noch frisch. Doch die Grünen sollten sich nichts vormachen: Das schwarz-grüne Musterländle Baden-Württemberg ist nicht überall, NRW etwa tickt anders. Nur mit konservativen Städtern, die sie der Union abzuringen hoffen, können die Grünen kaum überleben.

Im Gegenteil: Wenn die Linkspartei ernst macht, sich im kommenden Jahr nicht doch noch zerlegt und dann auch außerhalb des Hartz-IV-Terrains Kompetenz entwickelt, werden sich die Grünen noch etwas mehr einfallen lassen müssen als ihr „Öko“-Gütesiegel, um ihre Leute bei sich zu halten. Und umso härter werden sie dann mit der Nase auf die Richtungs- und Koalitionsfrage stoßen. Das wird noch schmerzhaft. ULRIKE WINKELMANN