Die EU zettelt Revolution an : KOMMENTAR VON NICK REIMER
Die EU-Kommission hat gestern eine Revolution ausgerufen. Kommissionspräsident José Manuel Barroso gab die Losung dafür bekannt: Enteignet die Energiekonzerne! Zerschlagt die nationalen Interessen! Auf ins kohlenstoffarme Zeitalter! Und er formulierte konkrete Ziele. Im Jahr 2020 soll die Europäische Union 20 Prozent weniger Energie verbrauchen als heute. Zugleich sollen sich die Kapazitäten der Erneuerbaren verdreifachen.
Revolutionen anzuzetteln ist das eine, sie durchzuführen, gar zu gewinnen, etwas anderes. Immerhin verfügt die EU-Kommission über Waffen, um ihre Ziele durchzusetzen: Richtlinien. Allerdings können die von einzelnen Nationalstaaten schnell stumpf gemacht werden. Erklären sich beispielsweise Deutschland und Frankreich nicht einverstanden mit der Zerschlagung ihrer Stromkonzerne, haben sie die Möglichkeit, den Plan der EU durch ein Veto zu vereiteln. Und Paris und Berlin haben für diesen Fall bereits die Konterrevolution ausgerufen.
Doch so einfach wird es für Kanzlerin Angela Merkel nicht sein, diese Position durchzuhalten. Denn Anlass der in Brüssel geplanten Revolution sind die neuesten Erkenntnisse zum Stand der Erderwärmung. Die sind so dramatisch, dass die Kommission erstmals unzweideutig klarmacht: Ein „Weiter so“ kann es nicht geben; radikale Schritte sind unvermeidlich. Dass es die Kommissare damit auch jenseits ihrer Revolutionsrhetorik ernst meinen, beweisen ihre Taten. Im Gegensatz zu früher bleiben sie hart, wo es bislang noch immer einen seichten Kompromiss gab. Ein Beispiel für diese Haltung ist der Umgang mit dem deutschen Allokationsplan. Die Bundesregierung möchte gern dafür sorgen, dass deutsche Firmen ein wenig mehr Kohlendioxid in die Luft blasen dürfen, als der EU-Umweltkommissar genehmigt hat. Dessen Behörde stellte gestern neuerlich klar: keine weiteren Zugeständnisse.
Kanzlerin Angela Merkel sitzt in der Klemme. Schließlich hat sie angekündigt, während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft den Klimaschutz voranzubringen. Sollte sie nun die Pläne der EU-Kommission vereiteln, geht sie als Konterrevolutionärin in die Geschichte ein.