piwik no script img

■ Die EG-Erweiterung schwächt den SüdenAbwehrreflexe des Olivengürtels

Die Vorwarnung der polnischen und der ungarischen Regierung kommt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Die Europäische Union hat sich gerade dazu durchgerungen, sich um österreich, Finnland und Schweden zu erweitern, bei Norwegen ist noch nicht klar, wie der Streit um den Kabeljau ausgeht, da klingeln schon die nächsten an der Tür.

Die Ankündigung Polens und Ungarns, in den nächsten Tagen in Brüssel um Vollmitgliedschaft nachzusuchen, dürfte die spanischen Abwehrreflexe verstärken. Spanien hat sich wie kein anderes Land gegen die Norderweiterung gesperrt und sperrt sich weiterhin. Die vier Kandidaten verschieben die politischen Gewichte in der EU nach Norden und noch schlimmer: Alle vier sind schon wegen ihrer geographischen Lage gegen ein Abschotten der Union nach Osten, sie sind potentielle Befürworter einer Osterweiterung um Polen, Ungarn und Tschechien.

Nicht nur Spanien graust vor dieser Perspektive. Auch in Frankreich dämmert vielen, daß Paris künftig nur noch an Einfluß verlieren kann. Links von Frankreich ist das Meer, rechts Deutschland. Jede Erweiterung rückt Frankreich weiter aus der Mitte der Union.

Das spanische Festklammern an der alten Sperrminorität im Ministerrat ist der Versuch, die Notbremse zu ziehen, ohne aus dem Zug aussteigen zu wollen. Im Klartext geht es darum, daß bei Mehrheitsentscheidungen Spanien mit Italien und Griechenland genau 23 Stimmen auf die Waage bringen, das sind zur Zeit 30 Prozent und reicht, Entscheidungen zu blockieren. Vor allem bei Fragen von Subventionen und Finanzzuschüssen wehrt sich der sogenannte Olivengürtel gerne gemeinsam gegen die geizigen Haushälter aus dem Norden.

Doch das kann künftig schwierig werden. Nach der Erweiterung müßte die Sperrminorität — 30 Prozent — auf 27 Stimmen erhöht werden. Um nicht überstimmt zu werden, braucht der Olivengürtel dann noch Lissabon. Aber Portugal ist ein unsicherer Kantonist, der an Spanien vorbei nach Norden schielt und von dort leicht zu beeinflussen ist.

Ganz anders liegt der Fall bei Großbritannien. London ist aus Tradition für alles, was die Macht in Brüssel einschränkt. Britische Wirtschaftszeitungen mühen sich seit Tagen, der Regierung beizubringen, daß sie für diese Operation das falsche Skalpell in der Hand hat. Wenn London an einer reinen Wirtschaftsunion interessiert sei, müsse es auf dem Prinzip der Subsidiarität bestehen und Kompetenzen von Brüssel zurückfordern. Einfach nur Entscheidungsgremien zu paralysieren, ist der dümmste Weg, um seine Konzeptionslosikkeit zu zeigen. Alois Berger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen