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taz FUTURZWEI

Deutsche ohne Mallorca Touristen, verpisst euch!

Sollen alle Leute zu Hause bleiben, die auf Mallorca quartalsaufen, Workation machen, Fahrrad fahren oder billigen Familienurlaub machen? Bitte mal kurz die Luft anhalten, meint unser Kolumnist Udo Knapp. Und macht einen Vorschlag, wie es besser gehen könnte.

„Ey Kevin, hol ma Sangria!“ – Tourismus, wie er auf Mallorca nicht mehr gemocht wird Foto: Foto: PictureAlliance/dpa/Clara Margais

taz FUTURZWEI | Mallorca – 900 000 Einwohner, 17,8 Millionen Touristen im letzten Jahr. 12,2 Milliarden Euro Einnahmen aus dem Tourismus, das sind 45 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der spanischen Balearen-Insel. 30 Prozent aller Arbeitsplätze sind direkt im Tourismus, im Sommer arbeiten hier 150.000 und im Winter 80.000 Mallorquiner oder Zugereiste aus der ganzen Welt.

Die Kosten für den Ausbau und den Betrieb der Insel-Infrastruktur, für Wasser, Strom, Straßen etcetera sind sehr hoch. Sie sollen durch die Tourismusabgabe von täglich bis zu 5 Euro abgedeckt werden, zusätzlich zu den allgemeinen Haushaltsmitteln, was aber nicht ausreicht. Eine Ökobilanz aller laufenden Kosten und Investitionen für Tourismus gibt es nicht. Mieten und alle anderen Lebenshaltungskosten sind für Normalverdiener auf der Insel hoch, was den Arbeitskräftemangel vor allen im Tourismus weiter verschärft.

„Wir sind nicht euer 17. Bundesland“

Nun haben 50.000 Mallorquiner in Palma mit Parolen wie „Guiris go Home“ - die spanische Variante für „Ausländer raus “-, „Wir sind nicht euer 17. Bundesland“ und „Lowcost Flüge sind Killerflüge“ gegen „Overtourismus“ demonstriert.

Sollen alle meine Freunde zuhause bleiben, die den schnellen Workation-Trip mit dem Laptop nach Mallorca in ihren Lebensstil eingefügt haben, die Ballermann-Säufer aus den englischen und deutschen Arbeiterstädten, die Familien, die hier billiger Urlaub machen können als an der Ostsee, die Jungen, die hier ihre Initiation ins selbstbestimmte Leben wild feiern?

Soll es keine zweiten Wohnsitze für Besserverdienende aus ganz Europa und die Homeoffice-Nerds auf der Insel mehr geben? Sollen die Investoren gestoppt werden, die Wohnungen kaufen und sie in Airbnb-Unterkünfte verwandeln, obwohl es sich gerade in diesen Wohnungen so angenehm urlauben lässt?

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Blick auf Fakten verstellt

Bitte kurz mal die Luft anhalten und differenzieren, bevor die übliche Solidarisierung mit den um ihre soziale Sicherheit Kämpfenden den Blick auf Fakten und Chancen verstellt.

Der Massentourismus ist kein vom Himmel gefallenes Weltübel. Er ist menschengemacht. Das Reisen war lange das Privileg der Reichen, der Herrschenden, der Klugen, der Künstler und all jener, die in der Ferne das Andere gesucht haben, die Alternative zur Verrohung und Verdummung in der, von der modernen Industrie bestimmten Massengesellschaft.

Wie in vielen anderen Lebensbereichen wurde mit der Marktwirtschaft aus diesem exklusiven Lebensglück, dem Reisen der happy few, mit seiner Demokratisierung das Reisen für (fast) alle, der in Tarifverträgen festgeschriebene Urlaub inklusive Urlaubsgeld.

Massentourismus wird politisch getragen

Wen wundert es, dass dieses Feld der Kapitalisierung von Massenbedürfnissen sehr schnell und mit großem Erfolg zu einem, hohe Gewinne abwerfenden Wirtschaftszweig entwickelt worden ist? Bauern, Fischer, Grundstücksbesitzer jahrhundertealter Familiensitze, haben, gedeckt von ihren Gemeindevertretungen und der Politik aller Ebenen, ihre Grundstücke und Immobilien verhökert.

Sie haben gegen alle warnenden Einwände zugesehen, wie aus malerischen und klug genutzten Kulturlandschaften Betonwüsten wurden. Haben zugestimmt, dass Investoren jahrhundertealte Strukturen zerstören, um sich zu bereichern. Die alte Gesellschaft zerbrach in Gewinner und die große Zahl der anderen, die sich als nur schlecht bezahlte Arbeiter und vor allem Arbeiterinnen in der Tourismuswirtschaft wiederfanden. Dieser Weg in den Massentourismus wurde auch auf Mallorca unterstützt. Er wird bis heute politisch getragen bis hinauf in die Cortes Generales, das Parlament in Madrid.

Das Verramschen der natürlichen Schönheiten und das Aufgehen der geistigen Kultur der Insel, wie so vieler kulturgeschichtlichen Zentren Europas in einer banalen Eventkultur war und ist Programm europäischer Tourismuspolitik.

Tourismus regulieren und langfristig aufstellen

Diese Politik wurde nach 1990 auch an der Ostseeküste, etwa auf der Insel Rügen, umgesetzt. Die Chance, die es damals gab, einen nachhaltigen Qualitätstourismus zu entwickeln, wurde von allen ausgeschlagen, den Gemeindevertretungen, der Politik im Land und nicht zuletzt den Insulanern selbst. Die schnelle Mark, blanke Gier anstelle langfristig werthaltiger Investitionen bestimmten ihre Entscheidungen. Irgendwie ganz normal oder?

Wie kann es auf Mallorca weitergehen?

Aus der Klimakrise folgt die Möglichkeit, die noch vorhandenen, aber endlichen natürlichen Ressourcen der Insel für alle Mallorquiner und die Touristen zu erhalten und deshalb nur noch nachhaltig zu gebrauchen. Das könnte dazu genutzt werden, den Tourismus zu regulieren und langfristig aufzustellen.

Ökologischer Massentourismus ist machbar

Dafür könnten folgende Politikinstrumente eingesetzt werden: Besucherobergrenzen, Airbnb-Verbote, fossilfreie Energieversorgung und Mobilität für die ganze Insel, eine restriktive, auf Kreisläufen aufgesetzte Wasserbewirtschaftung, Bauverbote und einschränkende Verschärfungen des Baurechts, ein Vorkaufsrecht aller Kommunen beim Verkauf von Immobilien und Grundstücken, höhere Steuern für Unternehmen der Tourismuswirtschaft, eine Pflicht für alle Betreiber von Tourismusbetrieben, Wohnungen für ihre Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, öffentlicher sozialer Wohnungsbau und nicht zuletzt das Einrichten neuer Naturschutzgebiete.

Ökologischer Massentourismus ist machbar. Er muss allerdings alle seine externen Kosten in seine Preise einfügen. Auch wenn der Urlaub auf der Insel dann teurer würde, müsste er wegen der weiter hohen Nachfrage deshalb nicht unbezahlbar werden. Mallorca könnte auf diesem Weg die Lieblingsdestination der Deutschen bleiben und gleichzeitig könnte der Überlebensstress für die Mallorquiner aufhören.

Realistisch betrachtet spricht nicht viel dafür, dass eine solcher Weg tatsächlich eingeschlagen wird. Populistisches, deutschen- und ausländerfeindliches Geschrei auf den Straßen von Palma, das als Kampf um soziale Sicherheit daherkommt, wird bestenfalls die Preise erhöhen, die Aufenthaltsdauer der Touristen verkürzen, aber am Zertrampeln der Insel nichts ändern.

■ UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für unser Magazin taz FUTURZWEI.