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■ MedienschauDeutsch-türkisches Verhältnis so schlecht wie nie

Bekannterweise hat die Nachricht der Tragödie von Krefeld in der türkischen Presse zu extremen Anschuldigungen und Entgleisungen geführt, die, wie nun nach der Festnahme des Familienvaters Aziz Demir deutlich wurde, allem Anschein nach allesamt haltlos und unberechtigt waren. Während sich die Politiker von diesen Dingen distanziert haben und versuchen auf politischer Ebene die Situation zu normalisieren, macht die türkische Presse keine Anstalten einer umfangreichen Berichtigung und Entschuldigung. Hierbei kommt ihr der Tod des Nationalistenführers Alparslan Türkes sehr gelegen, da sie ausführlich darüber berichtet und somit geschickt ihre aggressive Berichterstattung über Krefeld zu vertuschen vermag. Einzig die nationalliberale Milliyet (Frankfurt) unternimmt mit dem Abdruck eines Interviews mit dem türkischen Botschafter Volkan Vural in Bonn einen Versuch, die Wogen zu glätten.

„Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei war durch die Aussagen Helmut Kohls und den von Spannungen begleiteten Besuch Außenminister Kinkels in der Türkei eh schon gestört. Nun ist auf die Beziehungen noch ein fremdenfeindlicher Schatten gefallen. [...] Obwohl sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern momentan auf einem Tiefpunkt befinden, weist Vural auf das bedeutende und einzigartige Verhältnis zwischen beiden Ländern hin, bei dem man durch einen gegenseitigen Dialog über die Probleme sprechen sollte. Die Aussagen von Herrn Kohl seien in dieser Weise von ihm nicht gemacht worden, und die BRD habe auch keine ablehnende Haltung eingenommen, als es darum ging, ob die Türkei zu den Kandidaten zu zählen sei, deren Vollmitgliedschaft in der EU bei einer europäischen Konferenz diskutiert werde. Zudem glaubt Vural, daß, wenn die Zeit reif sei, Deutschland eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU befürworten werde. Hinsichtlich der scharf geführten Diskussion zwischen Politikern beider Länder über die Fremdenfeindlichkeit seien beide Seiten weit über das erträgliche Maß hinaus gegangen.

Die Beziehungen dürften nicht noch mehr Schaden erleiden, und beide Seiten müßten dafür sorgen, daß die Spannung in der türkischen Öffentlichkeit nicht weiter zunehme. Die in Deutschland lebenden Türken fühlten sich im Stich gelassen und lebten in einer großen Unsicherheit. Um dies zu ändern, müsse die Bundesregierung den Türken die gleichen Rechte zubilligen und sie durch eine verstärkte Integrationspolitik zu einem Teil der deutschen Gesellschaft machen.“ 8. 4. 97

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