: Der fast Vergessene
Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Hubert „Oiwonger“ Aiwanger
Von Peter Köhler
Manchmal ist es so still um Hubert Aiwanger, dass er glaubt, er wäre gar nicht da. Seit Wochen gibt er keinen Laut mehr von sich, so lange schon, dass ihn niemand mehr vermisst. Hubert wer? Sein Name, der in Bayerns Städten einst Angst, Schrecken und Tumult auslöste, aber auf dem Land für vollgestopfte Bierzelte sorgte und ein Jubeln, Jauchzen und Jodeln über alle Humpen hinweg entzündete, ein Singen und Sengen, das die Luft brennen, ja lodern ließ – verweht, verloschen, vergessen.
Und doch: Hubert Aiwanger lebt. Lebt in der Erinnerung an den groß aufgezäumten Bundestagswahlkampf, als er seine Partei, die Freien Wähler, von Bayern hoch hinauf in den Bundestag wuchten, stemmen und pressen wollte, er selbst einen Platz im Plenum erobern und breit einnehmen wollte!
Und dann das: Mit mickrigen 1,5 Prozent der Stimmen blieb seine Truppe auf der Strecke liegen, erntete trotz seiner sympathischen Gestalt und Wortgewalt noch weniger Zustimmung als 2021, als 2,4 Prozent der Wählervoten abgepflückt werden konnten. Schlimmer noch: Er selbst sah in seinem Wahlkreis Rottal-Inn am Wahlabend nicht nur den CSU-Kandidaten von hinten, sondern auch die AfD an sich vorbeimarschieren. Er blieb als Dritter in der Urne liegen!
Dabei hätte er für einen Tisch in Berlin sogar sein Münchner Erzministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie geopfert, das er seit 2018 unter den Backen hat. Wie konnte alles schiefgehen? Es gab bloß eine Erklärung unter dem weiß-blauen Himmel: Die Intelligenz einer aufgeheizten Masse zum Kochen gebrachter brodelnder Wähler ist niedriger als die nüchterne Summe aller Teile.
So muss der Hubsi bis in alle Ewigkeit dahoam bleiben! Dort, wo er sich an der Eiseskälte eines Markus Söder immer wieder die Lippen wund biss, zuletzt, kurz vor seinem Verschwinden, sogar im Bundesrat auf den bloßen Wink seines Herrn helfen musste, die festsitzende, doch so herrliche Schuldenbremse zu lockern. Böse sein durfte er seinem bayerischen Chef nicht einmal. Fast wäre er nämlich selbst den Weg allen Söder-Fleisches gegangen, damals, 2023, als alles aufflog: ein rechtsradikales, antisemitisches Flugblatt aus seiner schönen Jugendzeit.
Das übel riechende Ding sei von ihm, H. Aiwanger, ausbaldowert, verfasst und in der Schule verteilt worden, hieß es in der linksgrün versifften und versoffenen Presse, der Süddeutschen Zeitung. Doch da hielt sein Herr und Hüter Markus Söder seine schützende Hand über ihn, und siehe, ein Wunder: Das Hetzblatt war jetzt von seinem weniger belichteten Bruder H. Aiwanger verfasst worden!
Es konnte nicht anders sein, denn, so Aiwanger in seinem geliebten Niederbairisch – wir paraphrasieren deshalb: Er, Oiwonger, soi oin lupenroiner Demokrot. Wann er dodsächlich domols dos Klossenzimmer mit oinem Hitlergruß betreten und ollweil an Gsposs g’mocht hot über Konoken, Schworze und Homos, donn konn er sich net doron erinnern. Bosto!
Nicht erst nach tausend Jahren, sondern schon nach einem war alles vergeben, vergessen und vergraben. 2024 konnte der geborene, aufgewachsene und studierte Landwirt Hubert Aiwanger aus Ergolsbach, dann Inkofen-Rahstorf und schließlich Rottenburg es endlich dem weit draußen liegenden Deutschland zeigen. Überall verließen Bauern ihre schweigenden Äcker und hoppelten auf ihren Traktoren wider Berlin. Dass die schreiende Mehrheit „dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen“ und „denen in Berlin sagen“ muss: „Ihr habt’s wohl den Arsch offen da oben“, polterte es dazu aus Aiwanger da unten heraus, in Bayern.
Heraus, und zwar -putzen konnte sich Aiwanger auch sonst. Schon 2012 wollte der gut Genährte das ausgezehrte Griechenland am Straßenrand per Gerichtsbeschluss verhungern lassen, statt es mit seinen dick verdienten Euros zu päppeln. Er weiß auch, dass richtige Autos mit Benzin gesäugt werden müssen, dass Atomkraft für Licht, Wärme und ein schönes großes Ei im Landschaftsbild sorgt und dass 25 Quadratkilometer mehr Wald ausreichen täten, um den deutschen CO2-Ausstoß zu kompensieren, statt grotesker 170.000 Quadratkilometer – die Klimafuzzis haben in der Grundschule einfach nicht aufgepasst und können nicht rechnen, wie er das gelernt hat!
Er selbst hat auch gern ein Tier in Einzelteilen auf dem Teller; eine pflanzenbetonte Ernährung mit lächerlich wenig Fleisch, die Wissenschaftler empfehlen zu müssen wähnen, muss deshalb zu einer „Mangelernährung wie nach dem Krieg“ führen, weiß der passionierte Jäger mit dem Schießgewehr. Indes, auch dieses angefutterte Wissen war umsonst, es folgte die letzte Demütigung: Nicht er, sondern irgend so ein Alois Rainer wird zum Bundesagrarminister geadelt. Dessen Qualifikation: Er ist nicht bei den Freien Wählern untergeschlüpft, sondern Eigentum der CSU. Verkehrte Welt!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen