Der Wochenendkrimi : Verschleppt ins Millionengrab
„Tatort: Requiem“, So., 20.15 Uhr, ARD
Die Zukunft ist bekanntlich auch nicht mehr das, was sie einmal war. In Bremen zum Beispiel sieht die Zukunft aus wie ein Einkaufszentrum aus den Siebzigerjahren, das man wegen Asbestverseuchung geschlossen hat und das nun auf den Abriss wartet. Das so genannte Space Center sollte Erlebnishungrige in die Hansestadt locken; man nannte es in der üblichen Touristikwerberhetorik auch den „größten Indoor-Erlebnispark Europas“. Nach recht kurzer Öffnungsdauer musste das Sci-Fi-Vergnügungszentrum allerdings vor ziemlich genau einem Jahr seine Pforten schon wieder schließen; seitdem herrscht auf den 22.000 Quadratkilometern eine gespenstische Stille.
Doch die Zukunftsträume von gestern sind nicht nur die Bausünden von heute, sondern auch die Filmsets von morgen: Jetzt hat Thorsten Näter, der schon einige ganz außergewöhnliche „Tatorte“ für Radio Bremen geschrieben und gedreht hat (etwa die Episode „Schatten“), das Areal für seine Zwecke genutzt: In „Requiem“ inszeniert er das retrofuturistische Millionengrab als Hightechverlies für Inga Lürsen (Sabine Postel). Die Kommissarin wird hier nämlich von einem Serienkiller festgehalten, der sie von seiner Genialität überzeugen will. Zu diesem Zwecke täuscht der Verbrecher geschickt einen tödlichen Anschlag vor und lässt Lürsen per Video Zeugin ihrer eigenen Beerdigung werden. Im Folgenden hat die patente Ermittlerin dann jedoch reichlich Gelegenheit, mit technischen Apparaturen aller Art und auf unzähligen Ebenen des Bremer Baumonstrums ihren Peiniger auszutricksen.
„Requiem“ ist ein verrückter kleiner Thriller zum Thema Größenwahn, der psychologisch zwar nicht gerade feinschnittig daherkommt, dafür aber durchaus allegorisches Potenzial besitzt. Die Hybris des Psychopathen und die städtebauliche Selbstüberschätzung des Bremer Senats weisen ja, wenn man so will, gewisse Ähnlichkeiten auf. Auf diese Weise setzt Radio Bremen unerschütterlich seine verwegene „Tatort“-Politik fort: Die Krimis aus dem kleinen Bundesland sind nicht immer wirklich gut, aber selten richtig langweilig. Realitäts- und Wahnsinn liegen hier oft gefährlich nah beisammen. CHRISTIAN BUSS