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Archiv-Artikel

Der Wochenendkrimi Das Lügen der anderen

„Tatort: Pauline“, So 20.15 Uhr, ARD

Wieder allein. Das kurze Liebesglück mit einem Kollegen, das tragisch endete, ist fast schon vergessen. Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) zieht auf ein Neues ihre alten Runden. Mit chronischer Erkältung, wenig Sinn für die eigenen Bedürfnisse, aber genauem Gespür für die Lügen der anderen. Immerhin findet sie nun aber auch wieder im niedersächsischen Nirgendwo Frauen, mit denen sie temporäre Bündnisse bilden kann. Das war ja immer das Wunderbare an den Lindholm-„Tatorten“: In der tiefsten Provinz trifft die Ermittlerin Kellnerinnen, Bäuerinnen oder Beamtinnen, die einen gänzlich ungekünstelten Glanz in die ländliche Ödnis bringen.

In der aktuellen Episode tut dies nun die Dorfpolizistin Katharina Lichtblau (toll: Johanna Gastdorf), die in ihrem kleinen Revier bei Jesteburg das Paradies auf Erden sieht und es deshalb auch nicht für möglich hält, dass einer der Bewohner den Tod der 12-jährigen Pauline zu verantworten hat. Doch wo sie selbst gute Freunde ausmacht, sieht Kommissarin Lindholm eben nur Verdächtige: Was ist zum Beispiel mit dem Patenonkel der Toten, der sich rührend um die Mädchen der Gegend kümmert, aber kein Verhältnis zu einer Erwachsenen aufbauen kann? Oder mit dem Pferdezüchter vom Nachbarhof, der sich heimlich mit Pauline traf? So wie die Dorfpolizistin beschwichtigt, weist die Kommissarin aus der Stadt hartnäckig auf die Fragwürdigkeiten der Dorfbewohner hin.

Martina Mouchot (Buch) und Niki Stein (Regie) sind indes schlau genug, ihre „Tatort“-Episode bis zum Ende in einem klugen Schwebezustand zu halten. Provinzhölle oder liebenswerte Dorfgemeinschaft – das ist hier nicht die Frage. Feinfühlig werden die Risse und Widersprüche aufgezeigt; es geht nicht um gut oder böse. Der klobige Krimiplot freilich bleibt ein wenig hinter dem geschmeidigen Gesellschaftsporträt zurück, das ist hinnehmbar.

Für die Kommissarin, die hier stochert und stänkert, wird am Ende schließlich deutlich, dass die Dörfler ihr eines dann doch voraushaben: Sie halten zusammen. Sie selbst aber ist am Ende des Falles – vom ewig nervenden Mitbewohner abgesehen – wieder allein. CHRISTIAN BUSS