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Der Taxifahrer und die Jungfernzeugung Von Ralf Sotscheck

„Ach du Scheiße“, murmelte der Taxifahrer, „jetzt sitzen wir in der Tinte.“ In Dublin herrscht Taxikrieg, und die Trantüte, der ich mich anvertraut hatte, war schnurstracks ins Feindeslager gefahren. Er war am Flughafen einfach einem anderen Taxi nachgeeilt und hatte die richtige Abzweigung verpaßt, weil er damit beschäftigt war, mir unterwegs eine Versicherung anzudrehen. Jetzt wünschte ich mir, ich hätte eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen. Wir standen auf dem falschen Parkplatz und waren von mindestens 70 gegnerischen Taxis umringt. Es war ungefähr so, als wenn ein Schwarzer die Jahreshauptversammlung des Ku-Klux-Klan gestürmt hätte.

Die Sache war von Anfang an dumm gelaufen. Der taxifahrende Versicherungsvertreter hatte das Haus nicht gefunden und war eine halbe Stunde im Kreis gefahren. Schließlich stand er vor der Tür, mußte jetzt aber dringend tanken. Weil er kein Geld dabeihatte, zahlte ich ihm den vereinbarten Fahrpreis im voraus. Der Fahrer gehörte dem Hackney-Verband an, der vor gut einem Jahr gegründet wurde, weil man eine Marktlücke witterte: An Wochenenden gab es manchmal sogar Raufereien um ein leeres Taxi – zur hellen Freude der regulären Taxis. Deshalb bekämpft man die Hackney- Konkurrenz, die mit niedrigeren Festpreisen ohne Taxameter fährt, mit allen Mitteln – bis hin zu aufgeschlitzten Reifen.

Mein Hackney-Fahrer fuhr jedoch nicht nur ohne Taxameter, sondern auch ohne Ortskenntnisse. Er stamme von der Südseite Dublins, erklärte er, und es klang, als ob er sich wie Captain Cook auf Entdeckungsreise fühlte. Dann kam er auf Versicherungen zu sprechen. Ein Mann aus dem englischen Dagenham habe sich für hundert Pfund gegen eine Entführung in den Weltraum versichert, sagte er. Ich antwortete, daß ich das für eine grandiose Idee hielte, merkte aber zu spät, daß der Fahrer, der gerade den Flughafen mit dem Busbahnhof verwechselte, keinen Sinn für Sarkasmus hatte. Sein Vorbild war der ehemalige Londoner Lloyds-Einleger Simon Burgess, der Frauen gegen Jungfernzeugungen versichert. Mehr als 300 Jungfrauen haben sich bereits auf diese Art gegen Gottes Zudringlichkeiten abgesichert.

Das Taxiungeheuer zeigte auf meinen Bauch und meinte mit der Unverfrorenheit eines Dienstleistenden, der sein Geld im voraus kassiert hat, daß es bei mir wohl schon zu spät sei. Statt dessen wollte er mir eine Versicherung gegen Hämorrhoiden verkaufen, was wegen des langen Sitzens aufgrund seiner vielen Umwege durchaus sinnvoll schien. Kein Wunder, daß er Versicherungen verkaufen muß, bleibt bei solchen Irrfahrten von den Hackney-Fixpreisen kein allzu hoher Stundenlohn übrig. Meine Frage nach einer Versicherung gegen versichernde Taxifahrer überhörte er geflissentlich, fuhr dann aber hinter einem regulären Taxi geradewegs in die Höhle des Löwen: Der Warteplatz am Flughafen, den er dann doch noch aufgespürt hatte, ist ausschließlich für richtige Taxis bestimmt. Schon kamen ein paar erboste Kutscher mit geladenen Wagenhebern auf uns zu, da gelang dem Unglücksraben ein erstklassiges Wendemanöver, bevor zwei Taxen die Ausfahrt blockieren konnten. Mein Flugzeug war längst weg. Aber ich hatte unversichert überlebt.

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