Der Preis des Klimaschutzes: Was kostet die Welt?

0,06 Prozent weniger Wirtschaftswachstum würde es kosten, um die Zwei-Grad-Grenze einzuhalten.

Klimawandel bewirkt Gletscherschwund, die Zunahme von Hochwasser, Dürren und Küstenerosion. Hier: Der Nil aktuell. Bild: dpa

Am Weltklimarat IPCC kommt niemand vorbei, der sich mit der schleichend fortschreitenden Klimakrise befasst. Die mehrteiligen IPCC-Berichte sind eine Gemeinschaftsanstrengung eines Großteils der Forschergemeinde, die sich weltweit mit dem Klimaproblem befasst. Zuletzt sind Teil 2 zu den Auswirkungen des Klimawandels und zu Anpassungsmöglichkeiten erschienen sowie Teil 3 über die Möglichkeiten zur Eindämmung des weiteren Klimawandels. Was steht da drin? Und wie steht es ums Klima?

Knapp ein Grad Celsius globale Erwärmung haben wir seit Beginn des 20. Jahrhunderts erlebt, den größten Teil davon in den letzten dreißig Jahren. Ein Grad – das klingt wenig, und es ist auch nur ein kleiner Anfang im Vergleich zu den rund vier Grad, mit denen wir im 21. Jahrhundert rechnen müssen, wenn wir weiterhin ungebremst Treibhausgase wie CO2 in die Luft pusten. Erstaunlich ist aber, welche Folgen bereits diese kaum einen Grad Erwärmung weltweit zeigt. Die Auswirkungen der globalen Erwärmung sind inzwischen in allen Weltteilen zu spüren – das zeigt der IPCC beeindruckend auf.

Es sind physikalische Auswirkungen wie Gletscherschwund, die Zunahme von Hochwasser und Dürren oder der Küstenerosion. Zweitens geht es um vielfältige klimabedingte Veränderungen der Ökosysteme an Land – etwa durch die zunehmenden Waldbrände – und im Meer durch die Erwärmung und Versauerung des Meerwassers. Nicht zuletzt aber geht es um Folgen für uns Menschen, unsere Gesundheit und Nahrungsmittelversorgung.

Inzwischen lassen sich die negativen Auswirkungen der Erwärmung auf die Ernteerträge nachweisen, auch in Europa. Zwar führen verbesserte Bewässerung und andere technische Maßnahmen dazu, dass die Erträge noch nicht zurückgehen – aber sie steigen weniger, trotz der ständigen Verbesserungen in der landwirtschaftlichen Praxis. Je weiter die Erwärmung künftig fortschreitet, desto größere Ertragseinbußen sind zu erwarten. Dies betrifft besonders die wichtigen Produkte Weizen, Reis und Mais. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung sind das keine guten Aussichten.

Die Vier-Grad-Grenze

Bei ungebremsten Emissionen werden ganze Ökosysteme in ihrer Existenz gefährdet, wie die der Arktis und der tropischen Korallen, von denen die Fischerei in vielen Entwicklungsländern abhängt. Lassen wir eine Erwärmung von vier Grad zu, müssen wir in vielen Lebensbereichen mit katastrophalen Folgen rechnen. Die Grenzen der Anpassungsfähigkeit von Menschen und Ökosystemen werden dabei überschritten. Wolfgang Cramer, einer der Leitautoren des IPCC-Berichts, hat es so formuliert: „Anpassung ist nur dann erfolgversprechend, wenn zugleich maximale Anstrengungen zur Begrenzung des Klimawandels unternommen werden. Ansonsten werden die Wirkungen des Klimawandels verheerend sein.“

Was lässt sich tun? Die gute Nachricht ist, dass die Erwärmung gestoppt werden kann, und zwar auch noch unterhalb von zwei Grad über dem vorindustriellen Temperaturniveau. Das ist auch das erklärte Ziel der Staatengemeinschaft. Knapp ein Grad davon haben wir dabei bereits hinter uns und das Klimasystem reagiert mit Verzögerung. Viel Zeit bleibt uns deshalb nicht mehr: Die Trendwende bei den globalen Emissionen muss dazu in den nächsten Jahren, etwa bis zum Jahr 2020, erfolgen. Bislang steigen die Emissionen aber immer weiter.

Positiv ist, dass die Emissionen der reichen Länder seit einiger Zeit nicht mehr steigen, in der Mehrzahl dieser Länder sinken sie sogar, etwa in der EU. Umso steiler steigen sie allerdings in den Schwellenländern, zu denen etwa China und Brasilien gehören. Teilweise entsteht dieser Effekt auch durch Konsum in den reichen Ländern, dessen Waren zunehmend in Schwellenländern wie China hergestellt werden. Die Grafik, die die Emissionen nach Ländergruppen aufgeschlüsselt zeigt, findet sich übrigens nicht in der Zusammenfassung für Entscheidungsträger des IPCCBerichts.

Sie wurde bei der Verabschiedung in Yokohama im April auf Druck einiger Schwellenländer gestrichen. Die Aussagen dieser Zusammenfassung werden gerne abgeschwächt – wer die ungeschminkten Erkenntnisse der Wissenschaftler möchte, muss die Langfassung des Berichts anschauen, auf die die Politik keinen Einfluss hat. Der IPCC-Bericht erkundet die Möglichkeiten der Emissionsreduktion mit verschiedenen Energie-Ökonomie-Computermodellen in über 1.200 Zukunfts- Szenarien. Eine zentrale Rolle in allen erfolgreichen Klimaschutzszenarien spielen die Erneuerbaren Energien – ohne deren massiven Ausbau sowie große Investitionen in verbesserte Effizienz wird die Emissionswende nicht zu schaffen sein.

Das Ziel: Nullemissionen

Eine wichtige Rolle in den Szenarien spielt aber auch die Bioenergie gekoppelt mit CCS, also „carbon capture and storage“, der Speicherung des bei der Verbrennung frei werdenden CO2. Denn damit lassen sich „negative Emissionen“ erzielen: Pflanzen saugen CO2 aus der Luft, und das bei der Verbrennung von Holz oder Biogas wieder frei werdende CO2 wird zum Beispiel in alte Erdgaslager unter dem Meeresgrund gepumpt.

Diese Technik soll ab Mitte des Jahrhunderts wichtig werden, um verbleibende Emissionen (zum Beispiel aus der Landwirtschaft) zu kompensieren und den Gesamtausstoß von Treibhausgasen auf null oder sogar leicht darunter zu drücken. Nur Nullemissionen führen letztlich u einer Stabilisierung des Klimas.

Was kostet die Rettung der Welt? Der so skizzierte Klimaschutz ist eine große technologische und institutionelle Herausforderung – ohne Zweifel. Große Investitionsströme müssen umgelenkt werden. Zahlreiche ökonomische Studien haben sich im Laufe der Jahre mit den Kosten beschäftigt. Logischerweise wird es umso teurer, je niedriger man die Temperaturgrenze festlegt, auf die die globale Erwärmung begrenzt werden soll.

Doch wie billig ein Klimaschutz mit dem Ziel der Zwei-Grad-Marke tatsächlich ist – davon hat kaum ein Laie eine Vorstellung. Laut IPCC-Bericht liegt der Wert wahrscheinlich bei einem Wachstumsverlust von nur 0,06 Prozentpunkten im Jahr. Ein jährliches Wachstum von zum Beispiel zwei Prozent würde gerade mal auf 1,94 Prozent sinken. Selbst in pessimistischen Berechnungen liegen die Kosten nur etwa doppelt so hoch – die grobe Größenordnung ist zwischen verschiedenen Forschergruppen und Modellen unumstritten. Und dabei sind lediglich die Kosten des Klimaschutzes kalkuliert.

Das Risiko: langsameres Wachstum

Der Nutzen durch vermiedene Klimaschäden wird nicht eingerechnet, weil diese Schäden finanziell kaum abzuschätzen sind. Das liegt an den Unsicherheiten in der Prognose künftiger Extremereignisse und daran, dass man Sturmflut- oder Hungertote kaum in Geldwerte fassen kann. Klimawandel ist darum ein klassischer Fall für eine Risikoabwägung.

Welches Risiko gehen wir ein, wenn wir dem Klimawandel gegensteuern und sich rausstellt, dass die Klimaforscher sich geirrt haben? Wenn es keine Klimaschäden gibt und wir unser Energiesystem umsonst auf Erneuerbare umstellen und Wälder aufforsten? Das Risiko ist jenes um 0,06 Prozentpunkte langsamere Wachstum.

Allerdings – auch das muss klar gesagt werden – wird es dabei erhebliche Umstrukturierungen mit Gewinnern und Verlierern geben. Zu den Verlierern gehört die fossile Energiewirtschaft und zu ihnen gehören Länder wie Russland, deren Wirtschaft stark vom Verkauf fossiler Ressourcen leben. Das sind die mächtigen Interessengruppen, die offen oder verdeckt gegen echten Klimaschutz kämpfen.

Auf Klimaschutz zu verzichten, ist dagegen ein enormes Risiko. Die Folgen können der Untergang von Küstenstädten und Inselstaaten sein, großflächige Zerstörung von Landökosystemen, Versauerung der Meere und eine massive Zunahme von Extremereignissen wie Hitzewellen und Dürren – sowie eine erhebliche Gefährdung der Nahrungsversorgung der Menschheit.

Wenn diese Risiken eintreten – und dafür spricht leider überwältigend der Stand der Wissenschaft – was erklären wir dann unseren Kindern und Enkeln? Dass die 0,06 Prozent weniger Konsumwachstum uns zu teuer waren, um ihre Welt vor dieser Gefahr zu bewahren?

Stefan Rahmstorf, der Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeo2 3/2014. Den Artikel können Sie gerne auf unserer Facebook-Seite diskutieren.