: Der Pickel am Arsch eines Nilpferds Von Ralf Sotscheck
Die Fuchsjagd ist so englisch wie der Fünf-Uhr-Tee. Am Wochenende hat die neue Jagdsaison begonnen, doch die Stimmung unter den Herren im roten Rock und schwarzen Käppchen ist gedrückt: Der traditionelle Blutsport gerät immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik.
Hat man in den achtziger Jahren die Füchse noch relativ ungestört hetzen können, so änderte sich das schlagartig, als Tierschützer mit versteckter Kamera fotografierten, wie die Sportsfreunde ihren Hunden einen lebenden Fuchs zum Fraß vorwarfen. Seitdem ist die Jagd in fast der Hälfte aller englischen Grafschaften auf öffentlichem Land verboten worden. „Diese Verbote sind wie der Pickel auf dem Arsch eines Nilpferds“, sagt Peter Voute, Sprecher der Britischen Jagdsportgesellschaft. Die Fuchshatz findet nämlich überwiegend auf Privatgelände statt. Doch auch dort ist die Jägerruh' empfindlich gestört. Saboteure verwirren die Hunde, indem sie im falschen Augenblick Jagdhörner und Pfeifen blasen oder falsche Fährten legen. Inzwischen beteiligen sich 150 Gruppen im ganzen Land am Hundefoppen, doch die Auseinandersetzungen mit deren Herrchen werden immer härter. „Vor 20 Jahren haben Jäger und Saboteure noch Weihnachtskarten ausgetauscht“, erinnert sich ein Saboteurs-Veteran. „Das ist nun vorbei.“ In der Tat. Im April wurde der 15jährige Tom Worby in Cambridgeshire von einem Hundetransporter überrollt und getötet. Seitdem tobt ein Propagandakrieg, in den die Jagdgesellschaften 750.000 Pfund (ca. zwei Millionen Mark) und die Tierschutzvereine das Doppelte investiert haben. Die Jäger lassen die Saboteure von Privatdetektiven bespitzeln und haben ehemalige Soldaten der Elitetruppe SAS angeheuert, um die Jagdreviere abzuriegeln.
Die Anti-Jagd-Lobby nütze den Tories, frohlockt Peter Voute: „Viele Jagdfreunde, die normalerweise gar nicht wählen, geben ihre Stimme den Konservativen, weil sie sicher sein können, daß die nichts gegen die Fuchsjagd haben.“ Im Gegenteil: Michael Howard, der ultrarechte Innenminister, hat am Wochenende verkündet, daß er ein Gesetz vorbereite, wonach die Störung der Jagd oder die Einschüchterung der Jäger und ihrer Hunde strafbar sein soll. Kevin Flack von der „Liga gegen Blutsport“ ist dennoch optimistisch: „Zum ersten Mal können wir sagen, daß ein Ende der Fuchsjagd in Sicht ist.“ Es hängt jedoch davon ab, ob in der nächsten Sitzungsperiode des Parlaments die Gesetzesvorlage der Anti-Jagd-Lobby aus der Lostrommel gezogen wird. 52 Prozent aller Abgeordneten würden dann der Vorlage zustimmen, glaubt Flack.
Die Jäger fühlen sich dagegen völlig mißverstanden. In Wirklichkeit sind sie nämlich verkappte Tierschützer, wenn man dem Fuchsjäger Simon Hart glauben kann: „Bei der Jagd geht es um die Kontrolle, nicht um die Ausrottung. 200.000 Füchse müssen jedes Jahr kontrolliert werden.“ Als Kontrollmittel will Hart freilich seine Jagdhunde einsetzen. „Das ist der effektivste und am wenigsten gemeine Weg.“ Außerdem habe der Fuchs eine reelle Chance: „Die Jagd ist der natürlichen Auslese am ähnlichsten: Die Alten und Langsamen werden geschnappt, und die Gesunden bleiben übrig.“ Engländer sind eben faire Sportsleute.
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