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Archiv-Artikel

Der „Fall Kaplan“ Die Einigkeit lässt frösteln

Metin Kaplan hat sich zurückgemeldet – und zwar mit beinahe schon preußischem Pflichtbewusstsein. Bereits kurz nach Mitternacht stand er am Montag Morgen vor der zuständigen Polizeiwache in Chorweiler, um ordentlich seiner wöchentlichen Meldeauflage nachzukommen. Jetzt dürfte das Jagdfieber, das Köln und den Rest der Republik in der vergangenen Woche gepackt hatte, endlich abklingen. Höchste Zeit, wieder zur Besinnung zu kommen.

Kommentar von Pascal Beucker

Es ist gut, dass Kaplan noch in Köln lebt und hier auch noch einige Zeit wird leben können. Warum? Weil alles andere eine fatale Niederlage der Zivilgesellschaft wäre. Denn das Vorgehen des Kölner Ausländeramtes, das den religiösen Fanatiker trotz der eindeutigen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts in Münster am Mittwoch erst festnehmen und dann per Blitzabschiebung in die Türkei verfrachten wollte, ist ein Skandal.

Die Kölner Behörde – und auch das Landes- und Bundesinnenministerium, mit denen die von langer Hand geplante Aktion wohl abgestimmt war – wollte hier bewusst Unrecht begehen. Sonst hätte sie ja auch bei der Beantragung des Haftbefehls nicht verschwiegen, dass die Münsteraner Richter unzweideutig eins deutlich gemacht hatten: Ihr Urteil über die Zulässigkeit der Abschiebung Kaplans dürfe wegen der Zulassung der Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht „vorläufig keine tatsächlichen und rechtlichen Folgen“ haben.

Die Kölner Behörde versuchte trotzdem einen rechtsstaatsunwürdigen Taschenspielertrick: Erst wird Kaplan einfach mal schnell abgeschoben, und wenn dann irgendwann einmal ein Gericht rechtsgültig den Rechtsverstoß festgestellt haben wird, was soll's? Weg ist weg. Der selbsternannte „Emir der Gläubigen“ hat nicht nur sich, sondern auch dem bundesdeutschen Rechtsstaat einen Dienst erwiesen, in dem er mit seiner kurzzeitigen „Unsichtbarmachung“ dieses Manöver vereitelte.

Doch: Wer hätte sich schon groß aufgeregt, wenn die Blitzabschiebung funktioniert hätte? Die Einigkeit, mit der der islamistische Wirrkopf von Rot-Grün über die Union bis zu den „Republikanern“, von der veröffentlichten Meinung bis zum hinterletzten Stammtisch zum Bösewicht Nummer eins erklärt worden ist, lässt frösteln. Nicht einmal, ob er tatsächlich schwer krank ist, ist mehr von irgendeinem Interesse. Hauptsache raus mit ihm, ist der große gesellschaftliche Konsens von links bis rechts. Schließlich geht es nicht mehr um einen Menschen, sondern um einen Feind. Es ist genau diese Entmenschlichung, die auch zu Guantánamo geführt hat – und in der deutschen Geschichte noch zu ganz anderem.

Ja, der „Kalif von Köln“ eignet sich mit seinen widerwärtigen Anschauungen hervorragend zum Feindbild. Aber trotzdem gilt auch für ihn: Grund- und Menschenrechte sind unteilbar. Denn nur dann haben sie einen Wert. Wer das vergisst, unterscheidet sich nicht mehr wesentlich von denjenigen, die er zu seinen Feinden erklärt hat.