: Der Aufstand wird zum Guerillakrieg
■ Mexikos Militärs erwarten lange Kämpfe / Tausende auf der Flucht / Bomben in der Hauptstadt
Mexiko-Stadt (taz/AFP/AP) – Obzwar die Gefechte zwischen den zapatistischen Rebellen und der Armee in den Bergen des Bundesstaates Chiapas nachgelassen haben, stellen sich die mexikanischen Militärs auf einen mehrmonatigen Kampf gegen die indianische Guerilla ein. Am Wochenende hielt das Wetter eine schützende Hand über die von der Luftwaffe terrorisierten Bauern und Guerilleros: Dichter Nebel und starke Regenfälle verhinderten den erneuten Einsatz von Kampfflugzeugen.
Der seit dem Aufstand am Neujahrstag eskalierende Bürgerkrieg griff indessen auch auf große Städte über. Am Samstag detonierte vor einem Luxus-Einkaufszentrum im Süden von Mexiko-Stadt eine in einem Taxi verborgene Autobombe. Wenig später schleuderten Unbekannte in Acapulco eine Granate auf das Rathaus. In der Nacht zum Sonntag explodierte eine weitere Autobombe in unmittelbarer Nähe einer Kaserne in Mexiko-Stadt. Bei all diesen Aktionen entstand hoher Sachschaden, aber es wurden keine Menschen ernsthaft verletzt. Zu den Anschlägen bekannte sich die „Geheime Revolutionäre Arbeiterpartei Einheit des Volkes“ (Procup-PDL), die sich mit den Aufständischen des zapatistischen nationalen Befreiungsheeres, EZLN, in Chiapas solidarisch erklärte.
Friedlich demonstrierten in der Hauptstadt rund fünftausend Menschen vor dem Innenministerium gegen den unverhältnismäßigen Militäreinsatz gegen die Zapatisten. Sie riefen „Mörder“ und „Stoppt den Völkermord in Chiapas“. Zum ersten Mal haben die Rebellen offenbar Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Die Zeitung La Jornado in Mexiko-Stadt teilte am Samstag mit, sie habe ein Fax der Aufständischen erhalten, in dem die indianische Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu aus Guatemala, der Befreiungstheologe und Bischof von San Cristóbal, Samuel Ruiz Garcia, und der Journalist Julio Scherer als Vermittler in Friedensgesprächen benannt worden seien.
Die Situation in Chiapas ist weiterhin ausgesprochen unübersichtlich. Während ein Militärsprecher erklärte, daß 115 Menschen bei dem Anti-Guerilla-Feldzug getötet worden seien, sprach ein Vertreter der Kirche in San Cristóbal von über 400 Toten. Die Armee verweigert weiterhin Journalisten den Zugang zu den Gebieten, in denen gekämpft wird. Um 23 Dörfer zu schützen, die in den vergangenen Tagen von der Luftwaffe bombardiert und mit Raketen zerschossen wurden, hat sich am Samstag eine „Karawane für Frieden und den Respekt für die Menschenrechte“ in das Kampfgebiet aufgemacht. Rund zweihundert Vertreterinnen und Vertreter von Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen – darunter auch der taz-Reporter Thomas Schmid – erreichten mehrere Dörfer, deren Bewohner offenbar in Panik in die dichten Wälder geflohen waren. Tausende von Bauern sind in den letzten Tagen aus ihren Dörfern geflüchtet. Allein in San Cristóbal de las Casas, der zweitgrößten Stadt von Chiapas, haben rund 600 Indianer Schutz gesucht. Auch in den Städten Comitan, Palenque und Villahermosa sind Flüchtlinge eingetroffen. Sie befürchten sowohl neue Bombardements als auch brutale Razzien der Soldateska nach Guerilleros.
Trotz der Hinrichtung von Gefangenen und des Einsatzes von 15.000 Soldaten ist es der Armee bislang nicht gelungen, die, was die Bewaffnung anbelangt, hoffnungslos unterlegenen Guerilleros zu schlagen. Sie konnten ihren Aktionsradius vielmehr auf inzwischen 14 Gemeindebezirke ausdehnen. Tagesthema Seite 3
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen