Debatte: Grüne Optionen : Denkbar ist mehr als die SPD. Ein Plädoyer für eine grünere Politik
Bei den anstehenden Wahlen haben die Grünen drei gleichberechtigte Optionen: Rot-Grün, Schwarz-Grün – oder die Opposition, meint Horst Becker
Schwarz-Grüne Koalitionen auf Kommunalebene gibt es in NRW bereits seit den zeitgleichen Kommunal- und Bundestagswahlen 1994. Als die NRW-SPD 1995 die absolute Mehrheit im Landtag verlor, stand damals nur eine rot-Grüne Koalition zur Debatte. Ziel der Grünen bei der Regierungsbildung und in den Folgejahren war die Ablösung der Regierung Kohl im Bund. Die CDU versteifte sich im Landtag auf die Rolle einer Fundamentalopposition. Die Frage nach Koalitionen zwischen CDU und Grünen oberhalb der Kommunalebene war vorerst erledigt.
Heute ist die Ablösung von Kohl Geschichte. Aus grüner Sicht ist unabhängig von der bestehenden Koalition in NRW zu fragen, ob die SPD ein Partner über 2005 hinaus bleiben kann und eine ausgezehrte SPD durch eigene Erholung regierungsfähig bleibt. Umso mehr, wenn schon rechnerisch zweifelhaft ist, ob die grünen Zugewinne reichen, um die SPD-Verluste auszugleichen.
Stehen dann einer Koalition zwischen Grünen und CDU tatsächlich inhaltlich größere Differenzen entgegen als einer mit der SPD? Klar, in der Atompolitik, der Verbraucher- und Landwirtschaftspolitik, in Geschlechterfragen und der Zuwanderungspolitik sind die Unterschiede groß. Aber ist z.B. die Einwanderungs- und Ausländerpolitik der nordrhein-westfälischen SPD wirklich weniger reaktionär? Umgekehrt scheinen mit der CDU Strukturreformen bei der Verwaltung, dem Steinkohlenbergbau und der WestLB eher realisierbar als mit der SPD. Selbst in der Metrorapiddebatte war die CDU näher an der Realität als die roten Metrorapidfantasten: Es lohnte sich in Verhandlungen auszuloten, ob es für eine schwarz-grüne Koalition ein gutes und verlässliches inhaltliches Fundament gibt.
Strategisch spricht heute nichts mehr dafür, sich einseitig auf Koalitionen mit der SPD festzulegen, während die gleiche SPD Koalitionen mit CDU, FDP und PDS eingeht. Aus Sicht vieler Grüner wird die SPD so – trotz ihrer Schwäche bei Inhalten, Personal und Wahlergebnissen – ohne Grund aufgewertet, an der Macht gehalten und in ihrem arroganten Auftreten gestärkt. In Stadträten wird die SPD oft als beliebig und wenig vertragstreu erlebt. Und in der Landesregierung?
Eine Regierungsbeteiligung hat sich ausschließlich an der Sichtbarkeit grüner Handschrift auszurichten. Für die Grünen müssen daher drei Optionen gleichberechtigt geprüft werden: Eine Fortführung der Koalition mit der SPD, die Opposition oder eine Koalition mit der CDU.
Offen bleibt, ob die CDU zu den notwendigen inhaltlichen Zugeständnissen an die Grünen bereit wäre. Es gibt dort Kräfte, die in einer Koalition mit den Grünen eine Chance für gerechte, nachhaltige, unbürokratische und weltoffene Politik sehen und die Unabhängigkeit von der Skandal-FDP wollen. Natürlich sind schwarze Fundis, besonders am Niederrhein und in Westfalen, gegen eine Öffnung der CDU. Innerparteilich wird es für die CDU dann wohl am unproblematischsten, wenn es rechnerisch mit der FDP reichen sollte. Vieles spricht derzeit dafür, dass die CDU nach der Kommunalwahl im Herbst vor Ort den Grünen wie vor zehn Jahren entgegen kommen wird und die endgültige Entscheidung erst nach der Landtagswahl trifft. Wäre 2005 schwarz-grün rechnerisch auf Landesebene möglich, muss es zu ernsthaften Verhandlungen mit der CDU kommen. Denn es kann nicht im grünen Interesse sein, dass eine große Koalition in NRW Stillstand verwaltet. In Verhandlungen und einer Koalition würde dann von entscheidender Bedeutung sein, dass die CDU nicht den gleichen Fehler macht wie die SPD: Eine Koalition so zu führen, dass sich der Eindruck aufdrängt, die Bekämpfung des Koalitionspartners sei das Ziel.
Sollten also die Ergebnisse der Landtagswahl eine Gelegenheit zu Verhandlungen von Grünen und CDU eröffnen und die handelnden Personen sich auf eine tragfähige Plattform für die Regierungsarbeit einigen, könnte ein solches Bündnis für NRW eine glückliche Fügung sein. Und die SPD hätte nach 30 Jahren in der Landesregierung endlich die Zeit zur Erneuerung.
HORST BECKER