David Denk über GONZO i. V. : Draußen vor der Tür
Ausgesperrt und abgezockt: Erfahrungsbericht eines gebrochenen Mannes
Ich bin gescheitert. Nein, da gibt es nichts zu beschönigen. Ge-schei-tert. An meiner Wohnungstür. Mit dem gut gelaunten, lebensbejahenden Typen auf dem Kolumnenfoto habe ich nur noch den Namen gemein. Es ist ein anderer David Denk – genau wie die Welt nach dem 11. September 2001 plötzlich eine andere war.
Ich bin ein gebrochener Mann. Gebrochen wie ungefähr 17 Plastikkarten, die ich in das ganze Schlamassel mit reingezogen habe und jetzt auch noch verhöhne, indem ich – witzisch, witzisch – „reingezogen“ schreibe. Scheitern als Chance, sich auf ihre Kosten zu profilieren – wie jämmerlich! Eine der Karten war diejenige, mit der wir Mitarbeiter im taz-Café Kaffee und Mittagessen bezahlen. Und weil ich ganz gern mal was esse, brauchte ich natürlich nach dieser Niederlage eine neue Karte. Als ich die Trümmer der alten am Tresen präsentierte, nuschelte ich irgendwas von Hab-mich-drauf-gesetzt. Lieber Elefant als Idiot.
Als wäre das nicht alles schon Schmach genug, lese ich ein paar Tage später in einer großen deutschen Tageszeitung ein Interview mit Steffen Wernéry, dem Präsidenten der „Lockpicker“, über die Deutsche Meisterschaft im Schlösserknacken. Allein das Foto verhöhnt mich: Ein Typ mit randloser Brille grinst mich dermaßen breit an, als wolle er dem Joker von Batman Konkurrenz machen. Doch es kommt noch schlimmer, viel viel schlimmer. „Eine Wohnungstür ist nichts anderes als ein Zelteingang, man geht einfach rein“, sagt Wernéry.
Plötzlich sehe ich mich wieder im Flur stehen, höre die Tür zufallen, taste ganz vorsichtig nach meinem Schlüssel und denke – 21, 22, 23 – Scheiße!!! Krame in meiner Umhängetasche: auch nichts. Rüttele an der Tür und wünsche, es wäre ein Zelteingang. Nur etwa zehn Zentimeter entfernt baumelt der Schlüssel im Schloss – und doch unerreichbar weit weg.
Weiter im Text. Wernéry: „Manche Schlösser gehen auch mit einer Pommesgabel auf.“ Meins natürlich nicht. Es funktioniert wie gesagt auch nicht mit Plastikkarten, genauso wenig wie mit kleinen Schraubenziehern oder Küchenmessern. Ich habe alles ausprobiert. Sogar Nachbarn im Hof aufgelauert und sie gefragt, ob sie Erfahrung im Öffnen zugefallener Türen haben. Hatten sie natürlich nicht. Keiner von ihnen. Und dann – das ist jetzt wirklich die Höhe! – erklärt dieser Wernéry lapidar, wie man’s macht: „Besser ist, ein postkartengroßes Stück aus einer Plastikflasche zu schneiden. Zwei Finger breit über dem Griff ist der Schnapper, da schiebt man sie hin, rüttelt an der Tür – auf!“
Mal davon abgesehen, dass meine Nachbarn mich wohl endgültig für verrückt erklärt hätten, wenn ich bei ihnen um eine Plastikflasche plus Schere gebettelt hätte, kommt dieser Tipp einfach ein paar Tage zu spät. Gewissensbisse, das einfach so auszuplaudern, hat Lockpicker Christian Wernéry „überhaupt nicht. Eine nicht abgeschlossene Tür ist eine offene Tür. Und für so eine simple Leistung, die man selbst machen kann, muss man sich nicht abziehen lassen von Schlüsseldiensten.“
Apropos Schlüsseldienste: Schämt euch! Wer 120 Euro für maximal 30 Sekunden Arbeit (plus Anfahrt) verlangt und diese Abzockerei durch die Bemerkung, es handele sich schließlich um einen Innungsbetrieb, zu legitimieren versucht, macht bestimmt auch noch viel schlimmere Sachen, auf die ich aus presserechtlichen Erwägungen nicht weiter eingehen möchte.
Ich habe schließlich einen Dienst gefunden, der mich für 75 Euro wieder in meine Wohnung gelassen hat. Bevor der ältere Herr in dem blaugrauen Kittel wieder abzogen ist, zum nächsten Unglücksraben, hat er noch zwei Aufkleber mit seiner Telefonnummer auf meiner Tür hinterlassen. Außen und innen (Wofür der innen gut sein soll, ich wohne im Erdgeschoss, habe ich vergessen, ihn zu fragen).
Dieser Makel geschieht meiner Tür recht, genau wie die Kratzer, die mein Gestocher im Lack hinterlassen hat. Meine Tür hat das mindestens genauso verdient wie ich 75 Euro weniger im Portemonnaie. Und die Schlüsseldienste dieser Welt diese Kolumne.
Fotohinweis: David Denk GONZO i. V. Fragen zum Scheitern? kolumne@taz.de Morgen: Michael Streck über TRANSIT