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„Das ist ja eine Demonstration“ - 300 Ausreisewillige in Leipzig

Berlin (rtr/taz) - Viele Leipziger Bürger trauten ihren Augen nicht: Da zogen am Montag abend mitten durch die noch belebten Geschäftsstraßen der Innenstadt mehr als 300 Menschen, die das hebräische Lied „Chalom a lelchem“ (Gib uns Frieden) sangen und eine Menschenkette bildeten. Viele Bürger der Stadt blieben stehen, bis es einem älteren Passanten dämmerte: „Das ist ja eine Demonstration!“ Die Volkspolizei hielt sich zurück und forderte die Demonstranten erst vor dem Rathaus der Stadt auf, die „Versammlung“ aufzulösen, nachdem die Demonstranten auf dem alten Marktplatz einen Kreis gebildet hatten. Die erste spontane Demonstration in der Messestadt seit vielen Jahren ging von einem Gottesdienst in der evangelischen Nikolaikirche aus, wo sich 1.000 Menschen zu einem Friedensgebet versammelt hatten. Während der Veranstaltung wurde der kürzlich inhaftierten Ausreisewilligen gedacht und zu „Furchtlosigkeit“ aufgerufen, zugleich aber auch vor unbedachten Aktionen gewarnt. Auch die Journalisten und Medienvertreter aus vielen Ländern wären für die Ausreise Begehrenden kein echter Schutz, wurde in der Diskussion argumentiert. Derweil kündigten sich auf der Buchmesse überraschende kulturpolitische Veränderungen an. Der Direktor des Hallensischen Mitteldeutschen Verlages, Eberhard Günther, erklärte, es werde zur Zeit geprüft, einen Gedichtband des Ost–Berliner Autors Lutz Rathenow erscheinen zu lassen, dessen Bücher bisher nur im Westen erscheinen konnten.

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