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Archiv-Artikel

Das Wintersemester an der FU wird angepfiffen Die Eckfahnen der Merk’schen Dialektik

Es lässt sich kaum vermeiden, dass die Hochschulen den Semesterbeginn mit zwar relativ sinnfreien, aber gerade deshalb so schönen Feiern zelebrieren, damit die Studienanfänger den Beginn der Studienzeit angemessen begehen. Bei der Wahl der Gastredner versuchen sich die Berliner Unis traditionell gegenseitig in den Schatten zu stellen. Nachdem zum Sommersemester für die Freie Universität Hildegard Hamm-Brücher (FDP) gegen Oliver Bierhoff (DFB) für die Humboldt-Universität angetreten war, wollte die FU dieses Mal offenbar auch ihren Sportsgeist beweisen.

Mit Bundesliga-Schiedsrichter Dr. med. dent. Markus Merk holte man zur Eröffnung des diesjährigen Wintersemesters eine Bierhoff mindestens ebenbürtige Legende der Körperertüchtigung ans Mikrofon. Während Olli schließlich immer nur mehr oder weniger eifrig den Bällen nachrannte, ist Merk als Unparteiischer mit einer ungleich höheren Verantwortung betraut. Dass er vor dieser nie zurückschreckt, zeigt er schon bei der souveränen Verteilung von Anstecknadeln an ausgewählte Erstsemesterstudenten, die gestern seinem Vortrag voranging.

Dessen Motto „Mit Leistung und Fairplay zur anerkannten Persönlichkeit“ ließ wenig anstrengende Inhalte erahnen. Gut so, denn zuvor hatten die faktengeladenen Endlosreden eines Physikprofessors sowie des Asta-Vorsitzenden zum erfrischenden kurzen Nickerchen eingeladen und auf dem Tischchen einer Studentin eine wahre Hochseeflotte von Papierschiffchen verursacht. Merk dagegen überanstrengte die Zuhörer nicht mit Hochtrabendem, sondern bot eine sympathische bodenständige Mischung aus erwartbaren Fußballvergleichen und nahe liegenden Witzchen wie diesem: „Als Zahnarzt (der ‚richtige‘ Beruf des Referees – Anm. d. Red.) lebe ich ja praktisch von der Hand in den Mund.“ Der putzige pfälzische Akzent des gebürtigen Kaiserslauterers tat sein Übriges, das Publikum für sich einzunehmen – für einen Schiedsrichter ja eher ein wenig ungewohnt .

Die Botschaft seiner knapp halbstündigen Rede ließ sich auf ihr Motto reduzieren: Leistung lohnt sich, muss aber mit Fairplay gepaart sein. Dass gerade im heutigen Profisport oft das Gegenteil – Leistungsverweigerung mit der richtigen Dosis Hinterlistigkeit – zum Erfolg führt, verschwieg Merk. Unbeirrt wiederholte er mehrmals in wechselnder Reihenfolge seine Formeln, die jedem Zuhörer sofort einleuchten mussten: Leistungsbereitschaft plus Fairness mal Teamgeist hoch Spaß gleich Erfolg zum Quadrat. Dazu die Eckfahnen der Merk’schen Dialektik: Flexibilität versus Entschiedenheit, Fokussierung versus Tunnelblick und Vorbilder versus Kopie („Seid euch selbst!“). So einfach ist das also alles. Zum krönenden Abschluss griff Merk dann zu seinem Arbeitsgerät und tat, was er immer noch am besten kann: pfeifen. OLIVER MARQUART