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■ Das PortraitMahmoud Darwisch

1948, als der Name seiner Heimat Palästina von der politischen Landkarte getilgt wurde, war er sechs Jahre alt. Die meisten seiner Landsleute flüchteten aus Palästina. Seine Familie blieb. Anfang der sechziger Jahre überraschte Mahmoud Darwisch mit ersten Gedichten. Die meisten Palästinenser vegetierten damals, über die ganze arabische Welt verstreut, in Flüchtlingslagern. Die Zurückgebliebenen lebten unter der Knute des nordisraelischen Militärgouverneurs. Niemand wagte es, das Wort „Araber“ auch nur in den Mund zu nehmen. „Die Augen, der Name, der Körper, die Stimme, die Wörter sind palästinensisch“, schrieb Darwisch dagegen. Mehr als jeder andere trug er dazu bei, daß die Palästinenser ihre Köpfe wieder heben konnten. Seine Gedichte wurden zur palästinensischen Ersatzhymne.

Der junge Schriftsteller liebte diese Rolle und haßte sie. Er wollte nicht nur das Medium der Verzweiflung seines Volkes sein, sondern auch ein Dichter, der über sich und die Liebe schreibt. Zweimal setzte sich der Dichter gegen den Palästinenser durch, und das schockierte seine zahlreichen Anhänger. Das erste Mal, als er 1970, nach mehreren Aufenthalten in israelischen Gefängnissen, beschloß, Palästina den Rücken zu kehren. Die Militärverwaltung hatte ihn für Der Dichter in jungen JahrenFoto: taz-Archiv

mehrere Jahre unter Hausarrest gestellt. Er fühlte, daß das Leben in der Isolation den langsamen Tod des Dichters bedeuten würde. Das zweite Mal, als er begann, Gedichte über sich selbst zu schreiben, die nur von der Literaturkritik überschwenglich aufgenommen wurden.

Politik ist sein Leben, nicht aber die Welt der politischen Institutionen. Auch nach seiner Aufnahme in das Exekutivkomitee der PLO 1986 blieb er ein Enfant terrible. Niemand kann besser als er zum Ausdruck bringen, was die Palästinenser fühlen und denken. Aus seiner Feder stammte die Palästinensische Unabhängigkeitserklärung vom November 1988 ebenso wie die Rede Abdel Schafis für die Madrider Nahostkonferenz.

Der bisherige Verlauf der Nahostgespräche hat Darwischs Traum von einem palästinensischen Teilstaat jedoch zerstört. Enttäuscht hat er sein Amt niedergelegt. Mit seinem Rücktritt hat die Politik der PLO einen Mann verloren, dessen Integrität über jeden Zweifel erhaben ist. Khalil Abied

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