: Das „Piano“ ist tot – es lebe das „Piano“
■ Steintor-Café wechselt Besitzer / Nur geringfügige Änderungen bei Neueröffnung geplant
Nach 20 Jahren ging am Freitag eine gastronomische Ära im Viertel zu Ende: „Der“ Steintortreffpunkt wechselte seinen Besitzer. Zunächst soll das „Piano“ im Fehrfeld zwei Monate für Renovierungsarbeiten geschlossen bleiben. „Der Stil des Pianos soll allerdings unbedingt beibehalten werden“, so Reza Najmehchi, einer der drei neuen Besitzer des Pianos. Verändern wollen die Käufer vor allem die Küche, „die ist viel zu klein“. Die drei Perser bringen ausreichend Erfahrung mit: Sie betreiben bisher das Restaurant „EL Mundo“ in Walle, so daß auf eine gute Küche bei der Wiedereröffnung im November gehofft werden kann.
Der bisherige Pächter Herbert Decker ist nach eigenen Angaben froh, das Kapitel „Piano“ abschließen zu können. Nachdem er 1972 beim „Römer“ und 1973 beim „Litfaß“ seine Finger mit im Spiel gehabt hatte, eröffnete er 1974 das Piano. So mancher in Bremen erinnert sich noch an das „alte Piano“, das eher den Charakter einer schmuddeligen Teestube hatte. Es avancierte innerhalb kürzester Zeit zur In-Kneipe. 1985 erhielt das Piano dann sein heutiges Outfit im Caféhausstil.
Lukrativ war das Piano damals wie heute, zudem ist Herbert Decker ein „Leib-und-Seele“-Gastronom, wie er im Buche steht. Was ist also der Grund für die Geschäftsaufgabe? „Ich habe einfach keine Lust mehr. Das Viertel ist nicht mehr das, was es mal war“. Das sind unter anderem die Baustellen vor der Tür, Junkies auf der Toilette und verstärkt Dealer unter den Gästen. „Dann das ewige Mißtrauen, das ich als Chef immer hatte, und -nicht zuletzt- der Alkohol natürlich“. Damit meint Decker seinen eigenen Konsum, der legendär ist und im Piano ab und an für Aufruhr gesorgt hat. Sei es, daß –vornehmlich ausländische– Gäste der Tür verwiesen wurden, sei es, daß Bedienungen Opfer eines cholerisch-alkoholisierten Ausbruchs wurden. Für so manche Viertel-BewohnerInnen waren dies Gründe, das Piano zu meiden.
Trotzdem war die personelle Besetzung des Cafés relativ konstant, man verstand sich als „Familie“ – mit allen Vor– und Nachteilen, die eine solche mit sich bringt. Viele schauen auf drei, einzelne auf bis zu acht Jahren Mitarbeit im Piano zurück. Es ist noch ungewiß, ob sie im „neuen“ Piano weiterarbeiten können und wollen.
Auch diese Kontinuität hat dazu beigetragen, daß das Piano stets Szene-Treff war; ob KünstlerInnen, Studies, Intellektuelle, Esoteriker, Viertel-Originale oder einfach –BewohnerInnen... „man“ traf sich im Piano. So beschwerten sich denn auch Freitagabend einzelne Stammgäste theatralisch über die Geschäftsaufgabe Herbert Deckers. Wenn sie wollen, können sie ihn jedoch vor sich auf Knien rutschen sehen: Nach einem Jahr Pause, das er mit Urlaub und Kur verbringen möchte, beabsichtigt der Gastronom ins Handwerk zu wechseln: Er will ein Geschäft für Parkettfußböden eröffnen. HR
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