: Das Ende des sozialdemokratischen Masochismus
■ Huldigungen für Schröder und Simonis auf SPD-Konferenz in Hamburg
Er hatte schon gewonnen, als er den Saal betrat. Knapp 2000 SPD-Funktionäre feierten ihren Parteichef und Bundeskanzler Gerhard Schröder gestern Nachmittag im CCH, noch bevor er ein Wort gesagt hatte. Als er seine etwa 45-minütige Rede beendete, erbebte der Saal unter dem Applaus der Delegierten aus Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und Niedersachsen auf der norddeutschen Regionalkonferenz in der Hansestadt. Sie war die letzte von vier Tagungen, mit denen der Bundesparteitag vom 7. bis 9. Dezember in Berlin vorbereitet wird.
Er sei zum Diskutieren gekommen, sagte Schröder, aber eins wolle er kurz klarstellen: Die Vorwürfe, die Sparpolitik seiner Bundesregierung sei unsozial, „sind Quatsch“. Zum Umbau der sozialen Sicherungssysteme gebe es keine Alternative. Über die Glogowski-Affäre ging der Kanzler locker hinweg. Die SPD in Niedersachsen habe durch deren schnelle Bewältigung Handlungsfähigkeit bewiesen, lobte er Landesparteichefin und Bundesbildungsministerin Edelgard Buhlmann und den desig-nierten Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel, die im CCH mit auf dem Podium saßen. Und wandte sich lieber Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis zu, der er versprach, „dass wir die Landtagswahl am 27. Februar gewinnen werden“. Im Wahlkampf „wird die ganze Partei an Deiner Seite kämpfen, Heide“.
Simonis selbst war bereits am Vormittag mit standing ovations bedacht worden. In einer leidenschaftlichen Rede hatte sie „Schluß mit sozialdemokratischem Masochismus“ gefordert: „Wir müssen den Erfolg wollen, dann werden wir auch siegen.“ Aus dem Norden „muss und wird das Signal ausgehen, dass die SPD wieder gewinnen kann“, behauptete Simonis. Die SPD müsse „wieder Aufbruchstimmung“ verbreiten: „Nicht klagen, sondern wagen – das ist Sozialdemokratie.“ Für ihren CDU-Herausforderer Volker Rühe hatte Simonis nur Spott übrig: „Mit diesem Generalsekretär von vorgestern mit den Rezepten von gestern werde ich schon allein fertig“, versprach sie unter langanhaltendem Beifall.
Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde und Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering verteilten ebenfalls genüsslich Watschen an den Harburger. Rühes Rolle in der Kiep-Kohl-Spendenaffäre sei undurchsichtig. Er solle jetzt mal „erklären, wie das mit den schwarzen Kassen der CDU“ war, die er als Generalsekretär von seinem Vorgänger Heiner Geissler übernommen habe, forderte Müntefering und nahm zugleich das Ergebnis vorweg: „Entweder war er General und wusste alles, oder er war nur Sekretär – in beiden Fällen darf so jemand nicht Ministerpräsident werden.“ Sven-Michael Veit
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