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Archiv-Artikel

Das Ende der Vorläufigkeit KOMMENTAR VON ULRIKE WINKELMANN

Bundespräsident Horst Köhler hat Kanzler Gerhard Schröders Neuwahlplan durchgewunken. Das war richtig. Dafür kann man ihm jetzt auch verzeihen, dass er es so rätselhaft gemacht hat, wann und wo er sich mit dieser Nachricht an die Öffentlichkeit bemühen würde.

Ein Nein hätte das politische Durcheinander noch vergrößert, das seit der Ankündigung der Neuwahl am 22. Mai herrschte. Dies hätte das Vertrauen des Wahlvolks in den politischen Apparat nur weiter geschwächt. Mit seinem Ja hat Köhler nun die Verantwortung für ein Nein ans Bundesverfassungsgericht weitergereicht, und hier gehört sie auch hin. Denn selbst wenn Köhler Recht getan hat, so haben die Abgeordneten, die gegen die Neuwahl vors Bundesverfassungsgericht ziehen wollen, ja nicht Unrecht. Ihre Argumente, wonach der Kanzler nicht nach Belieben den Bundestag auflösen kann, wenn ihm innerparteiliche oder innerkoalitionäre Kritiker das Leben schwer machen, verdienen Würdigung auf höchstrichterlicher Ebene.

Köhlers Ja deutet allerdings darauf hin, dass er offenbar die vergangenen Wochen gut genutzt und den Neuwahlplan mit allen zur Verfügung stehenden juristischen Instrumenten abgeklopft hat. Denn dass seine Entscheidung vom Gericht wieder aufgehoben wird, kann er sich schon aus Rücksicht auf seinen eigenen Eintrag ins Geschichtsbuch nicht leisten.

Sollte nun der Neuwahlplan des SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder also auch noch das höchste Gericht passieren, bleibt eigentlich nur noch eines zu hoffen: dass sich alle Beteiligten überlegen, wie eine derartige Hängepartie künftig zu verhindern wäre. Ein Selbstauflösungsrecht des Parlaments in einer ruhigeren Minute ins Grundgesetz zu schreiben, ist da ein sympathischer Ansatz.

Die Selbstauflösung der Bundesregierung jedenfalls hat mit der formellen Bestätigung der Neuwahlen einen Anstrich der Legitimation bekommen. Jetzt verliert der Wahlkampf hoffentlich auch seinen irrealen, spaßhaften, aber nicht lustigen Charakter. Rot-grüne Politiker, die sich von ihrer Verantwortung so unberührt verabschieden, wie es in den letzten Wochen zu beobachten war, sind schwer zu ertragen.