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Archiv-Artikel

Das Ding, das kommt Sprit und Esprit

SCHNAPS hat der Autor Arno Schmidt reichlich getrunken. In Hamburg wird zu seinem 100. Geburtstag angestoßen

Dass er gern mal einen getrunken hat, das wäre im Fall Arno Schmidts schlicht untertrieben

Dass er gern mal einen getrunken hat, das wäre im Fall Arno Schmidts schlicht untertrieben. Ganz gezielt hat sich der Literat schon morgens einen genehmigt. Um die „Bildkraft der Seele“ zu stärken. Akribisch aufgezeichnet hat das, natürlich streng den formalen Vorgaben ihres Mannes folgend, Alice Schmidt in ihren Tagebüchern. Am 18. Januar wäre Arno Schmidt 100 Jahre alt geworden.

Dass „vergeblich klopft, wer ohne Wein ist, an der Musen Pforte“, wusste schließlich schon Aristoteles. Dass vor allem über der Literatur ein „Alkoholnebel“ liegt, haben Michael Krüger und Ekkehard Faude vor zehn Jahren zum Thema ihres knappen Bandes zu „liquiden Grundlagen des Buchstaben-Rausches“ gemacht. Dass ein deutscher Schriftsteller pro geschriebener Seite einen Liter Wein, drei Viertelliter Bier und einen doppelten Schnaps trinkt, ist dann aber doch mehr Mutmaßung als wissenschaftlicher Befund.

Überprüfbar ist hingegen, was der Psychiater Donald W. Goodwin für die ersten sechs amerikanischen Autoren festgestellt hat, die den Literaturnobelpreis bekommen haben. Mit Sicherheit vier, wahrscheinlich aber fünf von ihnen waren Alkoholiker. Wie überhaupt rund ein Drittel aller berühmten US-amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

Dabei lässt sich historisch durchaus eine Entwicklung des Verhältnisses von Geist und geistigen Getränken beobachten: Haben die Aufklärer und Romantiker noch privat gesoffen, war der Rausch im 19. Jahrhundert schon Gegenstand eines wahren Kultes, Stichwort: Absinth. So richtig tief ins Glas geschaut wurde aber erst in den letzten 100 Jahren.

Der deutschsprachige Literaturbetrieb macht da keine Ausnahme: Heinrich Böll, als Soldat noch auf Crystal Meth, hat viel gesoffen, Ingeborg Bachmann, und auch Günter Grass: unvorstellbar ohne Pfeife und Rotwein. Hans Werner Richter charakterisierte denn auch die legendären Treffen der Gruppe 47 einmal so: „Wohl dem Kandidaten, der, ohne mit der Wimper zu zucken, eine harte Kritik, ein hartes Bett, einen dünnen Kaffee, dicken Tabaksqualm, wenig Schlaf und viel Alkohol vertragen kann.“

Also wird am kommenden Samstag in Hamburg Arno Schmidts 100. Geburtstag gefeiert: Im Haus der Patriotischen Gesellschaft lesen abends unter anderem Dietmar Dath, Karen Duve, Ingo Schulze und Uwe Timm. Und vormittags um 11 Uhr wird schon mal angestoßen: mit einem Gläschen Schnaps am Ort den Geburtshauses im Rumpffsweg 27 in Hamburg-Hamm.  ROBERT MATTHIES