Daily Dope (550): Wie ein lästiger Pickel
Mit vollem Einsatz geht der deutsche Sport in den Olympiasommer – außer beim Thema Doping. Der Nada fehlt das Geld, um den Kampf gegen Blutdoping zu bestreiten.
BERLIN taz | Der deutsche Sport macht sich bereit für den „härtesten Konkurrenzkampf, den es je gegeben hat“. Den erwartet Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, bei den Olympischen Spielen im Sommer in London. „Nicht einmal in Zeiten des Kalten Krieges haben andere Länder so viel in sportliches Know-how investiert“, so Bach weiter.
Deutschland kämpft um einen guten Platz in der Nationenwertung, der Staat investiert kräftig in das Nationalmarketing. Gespart wird nicht: Olympia 2012 ist dem deutschen Staat mehr wert als Peking 2008. Damals gewannen die Deutschen 41 Medaillen und landeten in der Nationenwertung auf Rang fünf.
Dieser Platz soll verteidigt werden. Schlagzeilen über Dopingvergehen sollen der Nation die Freude an den Spielen dabei nicht vergällen. „Die Mannschaft wird rigiden Anti-Doping-Maßnahmen unterworfen sein“, sagt Thomas Bach. Wie ein lästiger Pickel, der sich einfach nicht ausdrücken lässt, muss dem IOC-Vize dabei die Affäre um die Blutbehandlungen am Erfurter Olympiastützpunkt vorkommen.
Bach wünscht sich, dass der Fall bis zum Beginn der Spiele am 27. Juli erledigt ist. Dabei vertraut er auf die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada), die noch auf ein Gutachten wartet, das klären soll, ob die Methode des Arztes Andreas Franke, die an 30 Sportlerinnen und Sportlern angewendet wurde, schon vor 2011 als Doping bezeichnet werden kann.
Mittel des Bundesinnenministeriums
Unabhängig vom Ergebnis ist es dem betroffenen Olympiastützpunkt zusammen mit Sportlern, die ihr Blut dort mit UV-Strahlen haben bestrahlen lassen, schon jetzt gelungen, die blutige Angelegenheit zur Glaubensfrage zu machen.
Es wird ernsthaft in Frage gestellt, ob die Erfurter Methode, die mit Mitteln des Bundesinnenministeriums bezahlt wurde, vielleicht doch erlaubt war in den Jahren, in denen der Vorgang der Entnahme und des anschließenden Reinfundierens von Blut nicht explizit verboten war – obwohl es einschlägige Sportgerichtsurteile gibt, obwohl die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) sich unmissverständlich geäußert hat,
Der Kampf gegen Doping ist auch ein Kampf um die öffentliche Meinung. Der ist für die Dopingjäger oft schon verloren, wenn die juristische Aufklärung eines Falls noch läuft. Wenn sie etwa Sportler allein anhand von Indizienbeweisen überführen wollen, werden allzu schnell Zweifel laut, wie der Fall Claudia Pechstein illustriert: Lange bevor sie Ärzte und Wissenschaftler präsentieren konnte, die ihr einen genetischen Defekt attestierten, der für den erhöhten Anteil von Retikulozyten in ihrem Blut verantwortlich sein soll, hatte sie erfolgreich Zweifel gesät.
Dabei ging es ihr nicht allein darum, die Sportgerichte von ihrer Unschuld zu überzeugen, sondern auch das Sportpublikum. Als der internationale Sportgerichtshof die Sperre der Eisschnellläuferin bestätigte, hatte Pechstein längst einen Teil der Sportfans hinter sich geschart.
Nada-Etat liegt bei 6,5 Millionen im Jahr
„Der juristische Bereich wird immer größer“, sagt Lars Mortsiefer, der Chefjustiziar der Nada. „Indizienprozesse müssen wasserdicht sein.“ Und sie sind teuer. Eine Niederlage kann sich die notorisch unterfinanzierte Stiftung kaum leisten. Auch deshalb fordert sie trotz scheinbar klarer Rechtslage noch ein Gutachten an, um die Frage klären zu lassen, ob das, was in Erfurt mit Athletenblut gemacht wurde, Doping war.
Wäre die Nada ein finanziell kräftiger Akteur in der deutschen Sportlandschaft, die Affäre Erfurt wäre wahrscheinlich längst ein veritabler Dopingskandal. Doch der Nada-Jahresetat beträgt nur etwas mehr als 6,5 Millionen Euro. Etwa 3 Millionen Euro davon zahlt das Innenministerium. 1,9 Millionen Euro kommen von den Sportorganisationen, die die Nada direkt bezuschussen und für die erbrachten Leistungen wie Kontrollen oder Ergebnismanagement bezahlen.
Die Sportverbände leiten dabei vor allem Mittel um, die ihnen das Innenministerium aus dem Topf für Spitzensportförderung zahlt. Die Wirtschaft zahlt hingegen mit wenigen Ausnahmen (Adidas und die Bundesvereinigung der Apothekerverbände) nichts für den organisierten Anti-Doping-Kampf der Nada.
Dabei war diese 2002 als so genanntes Stakeholder-Modell gegründet worden: Staat, Sport und Wirtschaft sollten gemeinsam eine unabhängige Organisation zur Bekämpfung von Doping unterhalten. Dass dieses Modell mangels Beteiligung der Wirtschaft gescheitert ist, war lange klar, bevor zu Jahresbeginn bekannt wurde, dass der Nada-Etat eine Deckungslücke von 1,3 Millionen Euro aufweist.
Förderung gestrichen
Innenminister Hans-Peter Friedrich mahnte vor allem die Wirtschaft zu verstärktem Engagement und tat dabei so, als sei der Staat allein mit der Finanzierung des Anti-Doping-Kampfs überfordert. Gleichzeitig stellt er dem Spitzensport über den DOSB in diesem Jahr aus seinem Haus 132 Millionen Euro zur Verfügung. Eine gewaltige Summe in Zeiten von Sparrunden und Haushaltsdisziplin.
Zwar gibt es für den Hochleistungssport 1 Million weniger als im Vorjahr, aber beispielsweise satte 6 Millionen mehr als im Olympiajahr 2008. Statt auch der Nada mehr Geld zu bewilligen, streicht das Innenministerium einen Teil der Förderung – es geht um 1 Million Euro – und sorgt damit selbst für das Defizit, das ihr Minister derzeit so beklagt.
Rigide Anti-Doping-Maßnahmen, wie sie Thomas Bach nun angekündigt hat, wird die Nada vielleicht bald nicht mehr stemmen können. Längst wird darüber diskutiert, ob alle 30 Mitarbeiter der Stiftung in Bonn ihren Arbeitsplatz behalten können oder ob es einen massiven Rückgang der Kontrollen geben wird.
Der Sport wird das bedauern. Denn die Dopingproben haben – weil durch sie kaum ein Spitzensportler zu überführen ist – längst eine Art Feigenblattfunktion. Mit der hohen Zahl der negativen Testergebnisse können die Sportorganisationen behaupten, ihre Wettbewerbe seien zum Großteil überaus sauber. Dabei wissen sie ganz genau, dass all die negativen Tests nicht allzu viel sagen über den Einsatz von verbotenen Mitteln und Methoden.
Im Urin nicht zu finden
2010 haben von der Wada akkreditierte Labors 258.267 Dopingproben analysiert. Darunter waren nicht viel mehr als 5.000 Blutproben. Kein Wunder, dass in jenem Jahr nur drei Athleten die Einnahme von Wachstumshormonen nachgewiesen werden konnte. Die lassen sich im Urin nicht finden.
John Fahey, der Präsident der Wada, sagte in der vergangenen Woche am Rande eines Anti-Doping-Symposiums in Lausanne beinahe schon resigniert: „Wer Wachstumshormone nimmt, kommt davon.“ Nicht nur das spricht dafür, dass der weltweit organisierte Kampf gegen Doping, der mit der Gründung der Wada im Jahr 2004 so hoffnungsvoll begonnen hat, ebenso vor dem Scheitern stehen könnte wie das Stakeholder-Modell der Nada in Deutschland.
192 Länder haben die Unesco-Konvention gegen Doping im Sport unterzeichnet. Dagegen gibt es lediglich 33 Labors weltweit, die von der Wada als Analyseeinrichtungen anerkannt sind. Vielleicht muss man sich nicht wundern, dass die Wada nicht mehr erforschen will, warum Sportler dopen.
Die Bildungsabteilung der Organisation hat Wissenschaftler aufgerufen, Papiere einzureichen, die sich mit der Frage beschäftigen, welche Gründe es geben dafür könnte, dass ein Sportler nicht zu Dopingmitteln greift.
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