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DURCHS DRÖHNLANDDie alte Schaffe mit der nötigen Eleganz

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Man muß Franke sein, um sagen zu können »Etz kummt unsa Smäsch-Hid«. Die Shiny Gnomes sind Franken und eine der drei Bands aus Nürnberg, die man außerhalb der dortigen Stadtmauern auch hören möchte und sollte. 1987 gewannen sie den Kulturförderpreis der Stadt Nürnberg. Keiner Rockband war das zuvor widerfahren. Später wurden sie zur unangefochtenen Institution. Die Shiny Gnomes sind eine Band, die so nur in der Provinz entstehen kann. Sie adaptieren einfach alles, was ihnen gefällt, ohne von stilbildenden Vorurteilen abgehalten zu werden. Man kann vieles heraushören aus ihren Platten: Eagles, Hollies, Beatles, Iron Butterfly, Doors, Pink Floyd, Kaleidoscope, 13th Floor Elevators, Neil Young aber auch Led Zeppelin, Deep Purple und modernen Metal. Sie können sehr gefühlig sein und nicht zufällig heißt ein Song »Hello Darkness«. Dieser ist zwar nicht identisch mit dem von Simon&Garfunkel, könnte aber auch von denen sein. Aber all diese kleinen Erinnerungssplitter aus der heimischen Provinz-Plattensammlung werden von den Shiny Gnomes versiert und stilsicher zu einem sehr eigenen Sound geschmiedet. Halt immer noch die beste Band aus Nürnberg und mein persönlicher Lieblingstip diese Woche.

Am 5.9. um 22.30 Uhr im Knaack, Greifswalder Str.224, Prenzlauer Berg

Eines kann man Pearls At Swine sicherlich nicht vorwerfen: daß sie schüchtern sind. Nach einem siebenmonatigen Aufenthalt in Nordamerika sehen sich sich kurz vor den fetten Futtertöpfen. Auf der anderen Seite des großen Teichs verkündeten sie in Interviews, daß sie die »einzige echte Rock-'n'-Roll-Band in ganz Deutschland« seien und vergaßen anzumerken, daß sie eigentlich nur die beste Rolling-Stones-Kopie Berlins sind. Ihr Management sitzt natürlich in New York — wo sonst? —, und das hat sie nun für ein paar wenige Auftritte zurück nach good old germany beordert, damit wir die zukünftigen Stars noch einmal zu Gesicht bekommen, bevor sie endgültig nach Beverly Hills umziehen. Das Info für die deutschen Auftritte ist ganz weltmännisch in englisch abgefaßt und trägt als Überschrift die Zeilen: »Germany's Pearls At Swine return home triumphantly from their highly successful North American tour.« Anscheinend führt der Weg zum Startum immer noch über Großkotzigkeit.

Am 5.9. um 21 Uhr im Pfefferberg, Schönhauser Al

lee 176, Prenzlauer Berg

Mit »Born in the GDR« schrieben sie unfreiwillig die Hymne zur Wende, aber angefangen hatte alles so typisch 1982 in Cottbus. Damals gründeten ein 13- und ein 14jähriger die Band Sandow, begannen zwei Jahre später mit den üblichen illegalen Konzerten an Seen und auf Campingplätzen und landeten 87 im inzwischen legendären Musikdokumentarfilm »Flüstern & Schreien«, in dem zum ersten Male offiziell zugegeben wurde, daß in der DDR ein Underground existierte. Damals spielten Sandow noch straighten Punk und triefende Balladen, was wohl ihrer Jugend geschuldet war. Inzwischen haben sie längst das weitverbreitete Ost-Syndrom von der Musik, die immer auch künstlerisch wertvoll zu sein hat, aufgenommen. Man begleitet Maler bei der Aktion, inszeniert stundenlange Trommelperformances mit Publikumsbeteiligung, macht Musik für Theaterstücke. Auf den allgegenwärtigen Vergleich mit den Einstürzenden Neubauten sind sie stolz, auch wenn dieser in die Irre führt. Sandow 1992 sind orchestraler denn je, aber benutzen kein Metall oder sonstige Zivilisationsrückstände zur Tonerzeugung. Vor allem der dramatische, fast theatralische Aufbau ihrer Stücke, das gesprochene Wort, das gleichberechtigt neben der Melodie steht, verbindet sie mit den Westberliner Szene-Königen. Schwerer Stoff von jungen Männern für Menschen, die das Außergewöhnliche suchen und denen gewöhnliche Unterhaltung viel zu profan ist.

Am 6.9. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Das Etikett Jazzrock hört sich zwar gemein an, trifft aber auf Snow Blind Twilight Ferries einigermaßen zu, auch wenn man sich nicht das übliche Keyboard- Gedudel vorstellen darf. Dafür sorgt schon Gitarrist Yref, der als Solist sein Instrument in selten gehörte Bereiche entführt. Auch bei den Ferries darf er sich austoben, aber die beiden anderen sorgen für einen soliden, fast schon souligen Rockhintergrund. Die anspruchsvolle Unterhaltung für den Yuppie von gestern mit der zurückgenommenen Experimentierfreudigkeit von heute.

Am 6.9. um 22 Uhr im Quasimodo, Kantstr.12a, Charlottenburg

In den Niederlanden gibt es ein kleine Hardcore-Szene, auch wenn bei uns eigentlich nur die Besetzer-Helden The Ex halbwegs bekannt sind. Die Blatant Jobs sind ganz auf der Höhe der Zeit, fieseln und wieseln, spielen mal Stakkato, dann wieder die — in letzter Zeit immer moderner werdenden — langsamen Doom-Parts und auch schon mal gezupfte 70er-Jahre-Intros. Ihr Sound ist satt, manchmal monoton und der Sänger kotzt die Laute raus wie andere ihr Frühstück. Das rückt sie musikalisch sehr in die Nähe innovativen Metals, aber immer bleiben sie als eindeutig vom Punk kommend identifizierbar. Für einen Abend voll unbeschwertem Amüsement sind sie allerdings zu verspielt, wechseln sie zu oft die Tempi und sind die Breaks manchmal gar zu überraschend. Aber auf jeden Fall ein gefundenes Fressen für die Headbanger-Gilde.

Am 6.9. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Str.157, Schöneberg

Nochmal Punkrock, diesmal puristisch, diesmal aus Los Angeles. The Creamers sind einige Grade schneller und härter als die Helden von 1977, dafür aber schon fast klassisch in der Beschränkung auf das Wesentliche und ohne jeden fremden Stileinfluß. Da geht's 1-2-3-4-schnell nach vorne, immer geradeaus, keine Umwege zu Riff und Melodie, die alte Schaffe mit einer gehörigen Portion Eleganz, ohne die sie nicht zu ertragen wäre. The Creamers sind so gut, wie die Ramones mal waren, und auch nicht schlechter, als Bad Religion je werden könnten. Es fällt auf, daß die weibliche Stimme bei dieser Sorte Musik ungewohnt klingt, daß sie bei all der Hektik immer die Zeit für die gute Melodie haben, daß sie auch Balladen können und daß sie eigentlich gut Lazy Cowgirls heißen könnten, weil die sich genauso anhören, aber trotz des Namens keine Frauen, sondern nur einen glatzköpfigen Sänger anzubieten haben.

Am 8.9. um 21 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Wieder mal was für die Abteilung »Langhaarige tun ihr Ding«: Mystik kommen zwar auf einem Label namens »Massacre« heraus, sind allerdings noch ein gutes Stück von Bands entfernt, die sich solch einen Namen redlich verdient haben. Völlig verloren sitzen die Mannen aus Cleveland zwischen den Stühlen. Fangen an mit stundenlangen düster-schwelenden Intros, um sich dann in den üblichen Wendungen und Brechungen zu ergehen. Trommelfeuerschlagzeug und Gitarrenverknoten, aber dann versucht der Sänger richtig zu singen, fast so, als wolle er bei Europe unterkommen. Das ist vielleicht eine Marktlücke, aber paßt alles nicht recht zusammen. Noch ein gutes Stück altmodischer ist die Band mit dem hübschen Namen Killers. Sie zeichnet vor allem aus, daß Paul Di'Anno seine gesanglichen Potenzen früher mal bei Iron Maiden austobte. Soviel dazu, Perücken werden nicht geduldet.

Am 8.9. um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt

Sie gründeten sich 1984, als noch niemand wußte, wo Seattle überhaupt liegt. Sie nannten sich Melvins und spielten von Anfang an dumpfe, schwere Metalriffs, komplizierte Breaks und ein dröhnendes Schlagzeug. Jahre später, die Melvins hatten nie größeren Kontakt zur Seattle-Szene bekommen und waren längst aus dem verschlafenen Nest Aberdeen nach San Francisco umgezogen, sollte für diese Musik das Wörtchen »Grunge« erfunden werden. Zwei, die an der Legende vom »Seattle Sound« kraftig mitstrickten und inzwischen auch gut verdienten, hatten aber doch den Weg der Melvins gekreuzt. Mudhoney-Bassist Matt Lukin gehörte zur Urformation der Melvins und Kurt Cobain von Nirvana kommt nicht nur auch aus Aberdeen, sondern soll der Legende nach Stammgast im melvinschen Übungsraum gewesen sein. Doch mit genau dieser Szene wollen die Melvins partout nichts mehr zu tun haben, auch wenn ihnen von allen Seiten der Titel »Großeltern des Grunge« angetragen wird. Während also Kurt Cobain nichts weiter zu tun braucht, als den sechsten oder siebten Strich für verkaufte Millionen Kopien von »Nevermind« zu machen, spielen die Melvins immer weiter. Und machen blöde Projekte: Zuletzt kopierte man die vier Solo-Alben, die Kiss in den beginnenden 80ern gemacht haben, bis ins kleinste Detail. Links oben steht anstatt »Kiss« halt »Melvins«, aber beides mit der berüchtigten SS- Rune. Rechts oben der Name des jeweiligen Bandmitglieds und darunter ein saumäßig schlechtes Gemälde im selben Stil wie damals bei Kiss. Für alle, die »Nevermind« gekauft haben und das dürften ja nicht wenige sein, sind die Melvins unverzichtbarer Geschichtsunterricht, auch wenn man natürlich anfügen muß, daß man wesentlich stärkere Nerven und viel Geduld fürs Austesten der Langsamkeit mitbringen sollte. Denn wie meinte Dale Crover letztens in einem Interview: »Unsere Songs sind nichts als verlangsamte Kiss-Riffs.«

Am 9.9. um 20.30 Uhr im Loft Thomas Winkler

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