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Archiv-Artikel

DREHT DER EXMANN DURCH, MUSS DER STAATSANWALT KOMMEN Stalking ist keine Privatproblem

Ein rachsüchtiger Gatte wütet in engen Gesetzesgrenzen. Er darf nicht prügeln, nicht nötigen, nicht vergewaltigen. Wenn er aber die Ex am Telefon terrorisiert, ihr Haus belagert und sie bedroht – dann tut sich die Justiz schwer, gegen ihn vorzugehen. Noch. Denn endlich debattiert die Politik über ein Gesetz, das „Stalking“ gezielt ahndet: das hartnäckige Belästigen eines Menschen.

Stalking als Fall für den Staatsanwalt – das wäre der richtige Schritt. Schon weil ein solches Gesetz sensibilisiert. Jene Polizisten etwa, die bislang die Strafanzeigen verängstigter Frauen gelangweilt im Aktenstapel versenkten. Und jene Freunde und Verwandte, die den Dauerterror als üblichen Zwist eines zerstrittenen Paars abtun. Die die Angst als „Hysterie“ belächeln, als Überreaktion auf einen intriganten Verflossenen. Dabei weiß die Forschung es längst: Der Durchschnitts-Stalker peinigt nicht den Fernsehstar. Er ist kein verirrter Fan, der Promis in ihrer Marmorvilla belagert – auch wenn es diese Fälle sind, die das Problem bekannt machten. Der gemeine Stalker quält, mit wem er einst Tisch und Bett teilte: die ehemalige Partnerin und Geliebte. In neun von zehn Fällen kennen sich Peiniger und Opfer. Stalking ist keine Einzeltat, die die Boulevardpresse hochpusht, sondern ein Trauma, das Millionen trifft. Schon deshalb ist es wichtig, dass das Gesetzbuch endlich auch Stalkern klare Grenzen setzt.

Darüber hinaus aber wäre dies die überfällige Abkehr von einem tradierten Dogma: Das Privatleben ist eben keine Privatsache. Ein Zwist unter Exgatten ist keine Familienangelegenheit, in die sich der Staat nicht einzumischen hat. Der Einzelne hat nur in Maßen das Recht, unbehelligt von Staatshütern zu streiten und hassen.

Die Grenze liegt da, wo ein Mensch zum Opfer wird. Diese Erkenntnis setzt sich allmählich durch. Das Gewaltschutzgesetz, das Frauen besser vor prügelnden Partnern schützt, zeugt von einem Umdenken. Es ist nur folgerichtig, auch den Psychoterror zu ahnden – und aktiv zu werden, bevor der nächste Stalker zum Messer oder Schlagring greift. COSIMA SCHMITT