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Archiv-Artikel

DORIS AKRAP LEUCHTEN DER MENSCHHEIT Das Fegefeuer wird innerer Zustand

Hitchcocks angreifende Vögel wurden als ökologische Rache (Robin Wood) oder als tyrannisches Über-Ich interpretiert, das jede normale sexuelle Beziehung verhindert (Slavoj Zizek). Aber für was stehen nun jene Vögel, die massenweise tot vom Himmel fallen? Die rumänischen Stare starben an Alkoholvergiftung und die 700 italienischen Turteltauben an einer Überdosis Sonnenblumenkerne, doch der Tod der zigtausend anderen bleibt ungeklärt.

Bei Matthäus 6,26 heißt es : „Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch.“

Himmlisch interpretiert ist es also so: Gott nährt die Vögel nicht mehr, er hat sie fallen gelassen. Und da auch schon die Griechen aus dem Vogelflug den Willen der Götter abgelesen haben, macht der Papst sich nun Gedanken darüber, warum der Heilige Vater seine Meinung geändert hat. Und tut es ihm gleich.

Noch vergangenes Jahr hatte Benedikt XVI. in seinem Interviewband: „Licht der Welt“ (Herder 2010) behauptet, für Gott und die Kirche seien Kondome keine Lösung. Vergangene Woche jedoch erklärte er, Gott verstehe das Fegefeuer nicht als Ort, sondern als „inneren Zustand“. De facto kann ab sofort also niemand mehr ins Fegefeuer geschickt werden, weil er Kondome benutzt hat. Jedenfalls kein echter Katholik, der an echte Orte und nicht an innere Zustände glaubt. Die Protestanten unter den Katholiken holen sich mit dem inneren Fegefeuer nun allerdings das tyrannische Über-Ich ins Haus, das jede normale sexuelle Beziehung verhindert.

Die Autorin ist Redakteurin der taz Foto: privat