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Archiv-Artikel

DNA-MASSENTESTS: MÄNNER VON COSWIG NICHT UNTER GENERALVERDACHT Der Sinn begrenzter „Freiwilligkeit“

Im sächsischen Coswig wird der bislang größte DNA-Massentest in Deutschland durchgeführt. Auf der Suche nach einem Sexualtäter sollen bis zu 100.000 Männer getestet werden. Zunächst müssen 3.100 Männer Speichelproben abgeben. Das Verfahren ist im Ansatz zwar gerechtfertigt, aber in der Dimension übertrieben.

Kritiker bemängeln, dass hier Teile der Bevölkerung unter Generalverdacht gestellt werden. Dagegen spricht aber schon die freudige Beteiligung der meisten Männer von Coswig. Sie fühlen sich eben nicht als Verbrecher behandelt und auch nicht stigmatisiert. Sie verstehen ihre Beteiligung zu Recht als eine Hilfe für die Polizei, die die Identifizierung des eigentlich Verdächtigen erleichtert.

Auch der Datenschutz ist gewährleistet. Die Speichelproben und die dazugehörigen DNA-Profile werden nach Ende des Tests vernichtet und nicht in die DNA-Datei des Bundeskriminalamts eingestellt. Außerdem werden die Proben nur mit der Coswiger Tatortspur abgeglichen und nicht mit anderen ebenfalls noch unaufgeklärten Spuren. Auf Zufallsfunde wird also verzichtet. Ein Überwachungsstaat sieht anders aus.

Sprachlich unbefriedigend bleibt, dass die Teilnahme an DNA-Massentests als „freiwillig“ bezeichnet wird. Was das schon, wenn sich ganze Feuerwehrzüge geschlossen zur Speichelprobe anstellen – wehe, einer macht nicht mit! Der soziale Druck führte schon oft dazu, dass sich auch der gesuchte Täter resignativ ins Schicksal fügte und durch den Test enttarnen ließ. Darauf lassen die Massentests ja auch hoffen. Außerdem nimmt die Polizei alle Verweigerer gründlich unter die Lupe. Konsequenterweise hat der Gesetzgeber deshalb 2005 geregelt, dass solche „freiwilligen“ Tests von einem Richter genehmigt werden müssen.

Fragwürdig ist nun vor allem, dass letztlich halb Dresden zum Test aufgerufen würde, wenn die ersten Testreihen kein Ergebnis bringen. Bei 100.000 Männern in der Großstadt funktioniert der soziale Druck aber kaum noch. Hier würden nur noch Steuergelder verbraten, um den starken Staat zu markieren. CHRISTIAN RATH