DIE ZEIT ARBEITET FÜR DEN MINDESTLOHN – 2009 WIRD ER KOMMEN : Ein schönes Thema für den Wahlkampf
Es ist schon merkwürdig: Da gibt es politische Vorhaben, von denen jeder weiß, dass sie irgendwann kommen werden. Trotzdem aber wird erst mal nur geredet, lamentiert, gedroht. Passieren tut nichts. Das war beispielsweise bei der Erweiterung des Ladenschlusses so, wo die ersten Debatten in den 80er-Jahren ansetzten und dann erst zwei Jahrzehnte später die Geschäfte abends länger öffneten, mag man das nun begrüßen oder nicht. Auch die Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen braucht ihre Zeit – das zeigt sich nicht nur jetzt, wo die Arbeitsgruppe aus Union und SPD sich fürs Erste nicht auf ein Konzept einigen konnte.
Der längere Zeitrahmen ist nötig, weil die Einführung einer relevanten gesetzlichen Lohnuntergrenze tatsächlich eine Umwälzung bedeuten würde, mehr als die bessere Bezahlung von FriseurInnen, Wachleuten oder Pizza-Ausfahrern. Kommen die Lohnuntergrenze und darauf aufsetzend noch branchenspezifische Mindestlöhne, wie es die SPD wünscht, so verändert dies die Struktur der Lohnfindung in Deutschland.
In den konventionellen Tarifverhandlungen streben die Gewerkschaften die Teilhabe der ArbeitnehmerInnen an Unternehmensgewinnen, an der Produktivitätssteigerung an. Im politischen Streit um den Mindestlohn geht es aber um die Sicherung der Existenz durch einen Vollzeitjob. Die Existenz sichern ist etwas anderes als die Teilhabe der ArbeitnehmerInnen am Lebensstandard der Mittelschicht.
Damit wird ein Tiefgeschoss unterhalb der Tarifverhandlungen aufgemacht. Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes wäre ein Beweis für die Erosion der Mittelschicht – und für die Schwäche der Gewerkschaften, die es nicht schafften, die prekär Beschäftigten besser zu schützen.
Deswegen ist es besser, wenn sich die Politik noch etwas Zeit lässt, als Mindestlöhne von fünf Euro oder andere Peinlichkeiten festzulegen. Im nächsten Bundestagswahlkampf 2009 wird die Lohnuntergrenze zum Thema. Und das ist auch gut. BARBARA DRIBBUSCH