DIE WASG GEFÄHRDET DIE ENTSTEHUNG EINER NEUEN LINKEN NICHT : Kandidieren lassen und dann vergessen
Die Linksfraktion im Bundestag besteht aus PDS- und WASG-Abgeordneten, die allesamt wissen, was Ausgrenzung in einer Demokratie bedeutet. Keine der anderen Fraktionen lässt es sich nehmen, über die Linken zu reden, als handle es sich um Polit-Psychotiker mit Lese- und Rechtschreibschwäche. Es ist daher etwas merkwürdig zu sehen, dass die Bundes-Oberlinken die Berliner WASG-Rebellen um Lucy Redler gerade genauso behandeln. Sektierer sind halt immer die anderen.
Nachdem Redler und die Ihren nun als legitimer Landesvorstand wieder eingesetzt sind und zur Berliner Kommunalwahl im September gegen die rot-rote Regierungsmehrheit antreten wollen, bleibt es eben den Wählern überlassen, dieses Verhalten zu bewerten. Angesichts der Umfragewerte darf damit gerechnet werden, dass die WASG in Berlin eine außerparlamentarische Größe bleibt und dann den Weg aller Splittergruppen gehen wird. Bis dahin werden die anderen Parteien alles Erdenkliche tun, um aus der Spaltung der Linken Profit zu schlagen. Doch erstens ist es ausgesprochen unwahrscheinlich, dass damit die Existenz der Linksfraktion im Bundestag und also die Fusion von PDS und WASG bedroht ist. Und zweitens wird der Knochen im September dann auch wirklich abgenagt sein.
Es ist deshalb übertrieben zu behaupten, Redler & Co. bedrohten die Entstehung einer neuen Linken in der Republik. Und es ist politisch unfair, ihnen ihre Eigenständigkeit abzusprechen. Die WASG ist ein immer noch junges, heterogenes Gebilde, das sich aus regional vollkommen verschiedenen Interessengruppen zusammensetzt – und in Berlin ist das ein Haufen von Leuten, die aus durchaus erklärbaren Gründen gegen den SPD-PDS-Senat antreten.
Entgegen den eigenen Ansprüchen sind es keine Welt-, sondern eben Kommunalpolitiker. Wie allen Kommunalpolitikern ist ihnen ihre Bedeutung vor Ort am wichtigsten. Wie allen Linken fehlt es ihnen an Unterordnungswillen. Man mag die Motive und das Programm der WASG-Rebellen für abseitig, unrealistisch oder sonst was halten – aber zur Wahl gegen SPD und PDS anzutreten, ist ihr gutes demokratisches Recht. ULRIKE WINKELMANN