DIE REFORM DES FÖDERALISMUS WIRD FÜR DIE LÄNDER TEUER : Ohne den Bund geht’s nicht
Wie schnell sich Meinungen doch ändern können. Als oberster Wirtschaftslobbyist konnte Hans-Olaf Henkel einst gar nicht oft genug verlangen, die Kompetenzen von Bund und Ländern strikt zu trennen – auf dass der freie Wettbewerb zu politischen Höchstleistungen ansporne. Inzwischen ist Henkel Chef der Leibniz-Gesellschaft, deren Institute sowohl auf Landes- als auch auf Bundeszuschüsse angewiesen sind. Plötzlich will er die Gelder nicht mehr missen.
Der Sinneswandel des forschen Wirtschaftsliberalen ist symptomatisch für die Debatte, die derzeit über die Reform des deutschen Föderalismus geführt wird. Aus gutem Grund reden alle von „Entflechtung“: Die Länder üben ihre Kompetenzen kaum noch alleine aus. Entweder haben sie sich auf komplizierte Kooperationen mit Bund und übrigen Ländern eingelassen, oder sie haben ihre Befugnisse ganz an Berlin abgegeben, im Tausch gegen Blockaderechte im Bundesrat. Nicht der Föderalismus macht das Land fast unregierbar, sondern seine Demontage durch die Länder.
Sobald es ernst wird, geht es den meisten Politikern allerdings wie Henkel: Auf den Einfluss des Bundes verzichten sie gern, auf sein Geld allerdings nicht. „Entflechtung“ bedeutet eben nicht nur, dass die Länder den Gesamtstaat nicht mehr per Bundesrat quälen. Es bedeutet auch, dass sie mehr zahlen. Und es bedeutet in einigen Bereichen, dass sie Kompetenzen an den Bund abgeben.
So wird es gerade in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Bildung, die bislang als Domäne der zuständigen Länderminister galten, ohne eigenständige Bundeskompetenz nicht gehen. Wenn es keine komplizierte Kofinanzierung wie bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz oder der Stiftung Weimarer Klassik gibt, können die klammen Länder Berlin oder Thüringen kaum alleine für Museumsinsel oder Goethehaus aufkommen. Auch das Mannheimer Institut für deutsche Sprache müsste der Bund dann wohl alleine übernehmen – schon um zu verhindern, dass die Forscher künftig nur noch das badische oder schwäbische Idiom erforschen. RALPH BOLLMANN