DIE NATO ERWEITERT IHREN EINSATZ IN AFGHANISTAN. WIEDER EINMAL : Mehr Soldaten, weniger Einfluss
Beim Sturz des Taliban-Regime wollten die USA den Fehler der Sowjets vermeiden und schickten deshalb keine massiven Truppen in das Land am Hindukusch. Washington rüstete vielmehr lokale Taliban-Gegner auf und begnügte sich mit dem Einsatz von Spezialtruppen. „Leichter Fußabdruck“ lautete auch die Formel, die der UN-Vermittler Brahimi den afghanischen Fraktionen schmackhaft machte. Das Ergebnis: eine kleine, auf Kabul beschränkte Isaf-Tuppe von 6.000 Mann. Schon damals sagten viele Beobachter, deren Stärke sei zu gering und die Truppe müsse auch auf andere städtische Zentren ausgedehnt werden. 30.000 Soldaten wurden als Minimum angesehen. Doch weder wollten Regierungen so viele Soldaten schicken noch Afghanistans Warlords sie akzeptieren.
Vier Jahre später ist die Lage in Afghanistan immer noch nicht ruhiger geworden. Zwar gilt Kabul als halbwegs stabil, doch nirgends wurde die von den USA gestärkte Macht der Warlords gebrochen. Da sich die internationale Gemeinschaft nicht traute, diese Warlords zu entwaffnen, geschweige denn zu verhaften, fällt es auch Afghanen immer schwerer, sich ihnen zu widersetzen. Deshalb wurden viele Warlords jetzt bei den Parlamentswahlen auch noch demokratisch legitimiert.
Und weil die Warlords im Hinterland um die Macht konkurrieren, ist dort eine wirksame Befriedung ausgeblieben, ganz abgesehen von den Aktivitäten der Taliban. Jetzt die Isaf-Truppe in einer Art Salamitaktik in immer weitere Gebiete zu schicken gibt nicht nur den ursprünglichen Stimmen Recht, denen die Isaf-Truppe von vornherein zu klein war. Es zeigt auch, dass es beim Befriedungsprozess in Afghanistan noch keinen Durchbruch gegeben hat. Wenn jetzt auch noch, wie von einigen Regierungen angestrebt, womöglich der Kampfeinsatz der Operation „Enduring Freedom“ und der Einsatz der Isaf-Friedenstruppe unter ein Kommando gestellt werden, gefährdet dies die Glaubwürdigkeit der Isaf. Die internationale Gemeinschaft droht sich trotz immer höheren Einsatzes in Afghanistan zu verheddern. SVEN HANSEN