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Archiv-Artikel

DIE MINDESTLOHN-DISKUSSION FÜHRT IN DIE IRRE Holt das Geld dort, wo es ist

Die Debatte um die EU-Dienstleistungsrichtlinie und die Angst vor Billigkonkurrenz aus Osteuropa führen zu bemerkenswerten Allianzen: CSU-Chef Edmund Stoiber stellt sich auf die Seite von Gewerkschaften und Sozialdemokraten und greift deren Forderung nach Mindestlöhnen auf. Die Sorgen sind begründet: Von Stundenlöhnen um die 6 Euro brutto, die teilweise auf Baustellen oder in der Landwirtschaft gezahlt werden, lässt sich in Deutschland nur schwer leben.

Fraglich ist allerdings, ob Mindestlöhne die richtige Methode sind, ArbeitnehmerInnen vor Dumpinglöhnen zu schützen. Da wäre zunächst das Problem, ob der Mindestlohn bundesweit oder von Region zu Region gelten soll. In der fränkischen Provinz kann man von niedrigeren Löhnen leben als in München. Andererseits dürfte die genaue Ausdifferenzierung zu Streit und Bürokratie führen.

Nächste Frage: Welche Höhe wird nach welchen Kriterien festgelegt? Die 1.500 Euro, über die derzeit debattiert wird, sind im europaweiten Vergleich hoch. In den Niederlanden gelten 1.265 Euro, in Frankreich 1.173 und in Großbritannien sogar nur 1.083 Euro. Ein relativ hoher Mindestlohn hat zwar den Vorteil, dass er den Anreiz zum Arbeiten verstärkt, weil die Distanz zum Sozialhilfeniveau groß ist. Andererseits ist zu befürchten, dass viele Tätigkeiten dann entweder gar nicht mehr professionell ausgeführt werden oder auf dem Schwarzmarkt. Schon jetzt stünden ganze Straßenzüge in den Ostteilen Berlins wohl immer noch unrenoviert da, wenn alle Maurer und Zimmermänner nach hiesigen Tarifen bezahlt würden.

Und daran würde sich wohl auch durch einen Mindestlohn nicht viel ändern. Zurzeit erhält der polnische Kollege vielleicht 8 Euro auf die Hand, der deutsche um die 10 – so viel mehr ist das nicht. Trotzdem ist der Deutsche ungleich teurer. Denn für ihn muss der Arbeitgeber noch einmal rund 25 Prozent für Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung drauflegen.

Sinnvoller als ein Mindestlohn wäre daher, die Last dieser Sozialabgaben gerechter zu verteilen. Statt den Arbeitenden den Mammutanteil aufzuladen, sollten Einnahmen aus Miete und Geldanlagen einbezogen werden. KATHARINA KOUFEN