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Archiv-Artikel

DIE IRA BEENDET DEN BEWAFFNETEN KAMPF. ABER FRIEDEN IST DAS NICHT Die Mauern werden immer höher

Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) hat das Ende des bewaffneten Kampfes erklärt und ihre Abrüstung angekündigt. Dieser Schritt kommt nicht überraschend. Die Unterstützung weiter Teile der Bevölkerung – die Voraussetzung für die IRA-Kampagne der vergangenen 30 Jahre – ist schon lange nicht mehr vorhanden. Dennoch sind die Erklärung und die Abgabe der Waffen symbolische Akte von hohem Stellenwert.

Ob dies ausreicht, den Friedensprozess wiederzubeleben, ist fraglich. Pfarrer Ian Paisley von der Democratic Unionist Party (DUP), der stärksten Partei Nordirlands, hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er das Belfaster Friedensabkommen vom Karfreitag 1998, das unter anderem eine Mehrparteienregierung vorsieht, zu Fall bringen will. Bisher hat ihm das Waffenarsenal der IRA ein willkommenes Argument geliefert, die IRA-Partei Sinn Féin von dieser Regierung auszuschließen. Nun muss er andere Hürden aufbauen – vermutlich verlangt er die vollständige Auflösung der IRA.

Doch selbst wenn er der Wiedereinsetzung der Regionalregierung zustimmt, wird sich für die Menschen in Nordirland wenig ändern. Der politische Prozess, der in das Belfaster Abkommen mündete, hat keinen gesellschaftlichen Prozess ausgelöst, der zu einer Annäherung der Bevölkerungsteile in den Ghettos führen könnte. Paisley ist ein Produkt der britischen „Teile und herrsche“-Politik, die vor Jahrhunderten die Grundlagen für den Konflikt geschaffen hat und bis heute für eine vertikale Spaltung der Gesellschaft sorgt.

Nun ruhen zwar die Waffen, aber die „Friedensmauern“ zwischen protestantischen und katholischen Vierteln werden immer höher. Die täglichen Scharmützel an den Grenzen dieser Viertel gehen ebenso weiter wie die jährlich 3.000 Paraden des Oranier-Ordens, der die historische Vormachtstellung der Protestanten demonstrieren will. So richtig und wichtig die IRA-Erklärung ist – der Frieden in Nordirland wird nur halten, wenn die gesellschaftlichen Grundlagen dafür geschaffen werden. Dieser Prozess wird Generationen dauern. Er hat noch nicht einmal begonnen. RALF SOTSCHECK