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Archiv-Artikel

DIE GESELLSCHAFTSKRITIK Die Sichere Insel

WAS SAGT UNS DAS? Babyklappen werden in China als soziale Errungenschaft gepriesen

Mit einem so großen Andrang hatte auch der Leiter des staatlichen Wohltätigkeitszentrums von Guangzhou nicht gerechnet. Erst Ende Januar hatte er die „Sichere Insel“, wie die Babyklappe auf Chinesisch genannt wird, in Betrieb genommen. Doch seitdem sind 262 Kinder abgegeben worden – im Schnitt jeden Tag fünf. Wegen Überfüllung musste er die Babyklappe schließen. Seitdem tobt in den chinesischen Medien eine Debatte, inwiefern die Babyklappe das Aussetzen der Kinder nicht noch fördert. Doch diese Behauptung ist absurd.

Was die Babyklappe in China von denen in anderen Ländern unterscheidet: Es werden nicht nur Kinder im Säuglingsalter abgeliefert, sondern sogar Sechsjährige, die meisten von ihnen mit Beeinträchtigungen. Von den 262 Kindern in der neu eröffneten Babyklappe in Guangzhou hatten 110 Kinderlähmung, 39 das Downsyndrom und 32 einen Herzfehler. Nur zwei Drittel waren unter einem Jahr alt. Kein Wunder, dass Babyklappen in China rasch an die Grenzen ihrer Kapazitäten stoßen.

Doch nicht die Babyklappe ist das Problem, sondern die mangelnde Gesundheitsversorgung. Immer wieder werden tragische Fälle bekannt, wie mittellose Eltern versuchen, ihre zumeist behinderten Kinder loszuwerden, weil sie die Behandlungskosten nicht aufbringen können. Der Leiter der Einrichtung in Guangzhou berichtet von Müttern vom Land, die ihre Kinder in die Städte bringen in der Hoffnung, eine Behandlung für sie zu finden. Doch das erweist sich als Illusion. Aus Verzweiflung setzen sie ihr Kind dann aus.

Der Leiter will daher dafür sorgen, dass die Babyklappe in Guangzhou schnell wieder öffnet. Das ist gut so. FELIX LEE, PEKING