DIE EUROPÄISCHE MARSMISSION IST SINNVOLL, AUCH WENN SIE SCHEITERT : Wer wissen will, muss forschen
Bei jeder Marsmission beginnt in den Kontrollzentren der Raumfahrtagenturen das Bangen und Zittern. Von allen Missionen der letzten vier Jahrzehnte scheiterten fast zwei Drittel, von elf russischen und US-amerikanischen Landeversuchen auf dem Nachbarplaneten der Erde gelangen nur drei. Die europäische Landemission Beagle-2 machte also keine Ausnahme – sofern sie tatsächlich scheitern sollte. Ein Anlass, deshalb mit dem Finger auf die europäische Raumfahrtagentur ESA zu zeigen, wäre das nicht. Die erste europäische Marsmission ist alles andere als ein sinnloses Prestigeprojekt. Und immerhin ist mit dem Einschwenken des Marsexpress in eine Umlaufbahn um den Nachbarplaneten der Erde der wichtigere Teil der europäischen Marsmission geglückt.
Der Mars ist – neben dem Mond – der von Raumsonden am meisten besuchte Himmelskörper des Sonnensystems. Aus gutem Grund: Er ist der erdähnlichste Planet. Zu den spannendsten wissenschaftlichen Fragen der Marsforschung gehört, ob es einmal große Mengen Wasser auf dem Mars gegeben hat, wenn ja, wie viel davon übrig geblieben ist, und ob sich auf ihm jemals Leben entwickelt hat. Doch selbst wenn sich weder Wasser noch Spuren mikrobiologischen Lebens auf dem Mars finden, stellt seine Erforschung bedeutende Erkenntnisgewinne über die Entwicklung des Sonnensystems in Aussicht.
Natürlich sind die Marsmissionen im Laufe der Zeit anspruchsvoller, komplizierter und riskanter geworden. Es reicht längst nicht mehr, den Mars einfach zu umrunden und ihn dabei zu fotografieren. Manche Fragen werden künftig nur mit Landegeräten geklärt werden können – sie sind nicht einfach nur ein PR-Bonbon der Raumfahrtagenturen.
Natürlich gab es bei manchen Marsmissionen dumme, vermeidbare Fehler. Der US-amerikanische Mars-Polar-Lander ging vor vier Jahren verloren, weil Ingenieure Maßeinheiten falsch umgerechnet hatten. Doch zu einer Mars-Landung gehört nun einmal auch Glück – Glück, das die ESA womöglich jetzt nicht hat.
Mit oder ohne Beagle-2, aus wissenschaftlicher Sicht wird die Marsmission der ESA eine Fülle von neuen Erkenntnissen über den Planeten liefern. Dass die ESA dabei den Anspruch hat, die Mission ohne die großen Raumfahrtnationen zu vollbringen, ist nicht nur billiges Konkurrenzdenken. Immerhin wird in Europa seit Jahren die Abwanderung von Forschern, auch Raumfahrtwissenschaftlern, vor allem in die USA beklagt. Die Marsmission ist wissenschaftspolitisch gescheite Standortpolitik. KENO VERSECK