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Archiv-Artikel

DIE ENTSCHULDIGUNG DES PAPSTES ZEIGT: BENEDIKT LERNT DAZU Bedauern, kein Kotau

Es gibt Zeichen der Entspannung: Der Papst entschuldigt sich, oder besser: bedauert noch einmal selbst und öffentlich, dass seine Aussagen über den Islam missverstanden worden seien. Der Präsident der türkischen Religionsbehörde, der den Streit anfangs erst richtig angefacht hatte, wertet die Worte des Papstes als Entschuldigung. Selbst die radikalsunnitische Muslimbruderschaft akzeptiert sie als „ausreichend“. Sicher ist es nicht, aber es sieht danach aus, dass der Welt ein zweiter Karikaturenstreit, ein neuer Kampf der Kulturen gar erst einmal erspart bleibt.

Dabei wäre für einen weltweiten Streit nach der Regensburger Rede des Papstes eigentlich viel mehr Anlass gegeben als nach Veröffentlichung der ziemlich schlechten Karikaturen über den Propheten Mohammed in einer dänischen Zeitung. Selbst wenn man den Papst nicht böswillig missinterpretieren will, bleibt auch nach gründlicherer Lektüre seiner Vorlesung der Eindruck, dass für ihn tatsächlich der Islam eine gewisse Nähe zur Gewalt und zudem wenig mit Vernunft zu tun hat – und das kommt, wohlgemerkt, vom wohl wichtigsten Repräsentanten des Christentums und nicht von irgendwelchen dänischen Karikaturisten.

Nun war der Papsttext keine Enzyklika, erst recht kein Dogma. Insofern konnte der Papst leichter sein Bedauern über die angeblichen Fehlinterpretationen seiner Rede äußern. Es ist im Christentum keine Schande, Fehler einzugestehen, im Gegenteil. Auch dies ist nun von Vorteil, zumal der Papst als Mann des Glaubens in der muslimischen Welt grundsätzlich gewisse Sympathien genießt. Wenn nun nicht wieder Fundamentalisten in Moscheen oder Madrassen Öl ins Feuer gießen, könnte deshalb alles noch glimpflich ausgehen. Selbst die geplante Papstreise in die Türkei dürfte noch klappen. Ein Kotau vor radikalen Muslimen war sein Bedauern jedenfalls nicht, Gott sei Dank!

Zu lernen ist, wie schnell fanatische Islamisten derzeit selbst abgehobene Theologenworte instrumentalisieren. Und der Papst dürfte gelernt haben, dass er schon lange kein einfacher Gelehrter mehr ist, der sich auf die Freiheit der reinen Wissenschaft berufen könnte. Willkommen in der Welt der Politik, Joseph Ratzinger! PHILIPP GESSLER