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Archiv-Artikel

DIE BÖHSEN ONKELZ BRAUCHEN IHRE SKIN-VERGANGENHEIT Leck mich am Arsch, Mainstream!

Am 8. August spielen die Rolling Stones in Hannover. Für ihre deutschen Fans wurde von einer deutschen Agentur eine sehr deutsche Vorgruppe gebucht: die Böhsen Onkelz. Das sorgte prompt für dermaßen böses Blut, dass das Management der Stones nun erwägt, die Gruppe wieder auszuladen. Wozu der Lärm? Die Rolling Stones und die Böhsen Onkelz haben vielleicht mehr gemein, als den Fans beider Lager lieb sein kann.

In ihrer Sturm-und-Drang-Phase zu Beginn der Achtzigerjahre wurden die Kassetten der damals noch minderjährigen Onkelz wegen rechtsradikaler und türkenfeindlicher Texte indiziert („Türkenpack, Türkenpack, raus aus unsrem Land!“). Dafür wurden sie vom Mainstream geschnitten, der faschistisches Gedankengut witterte – und von einem harten Kern vergöttert, der die Onkelz für genau diese „street credibility“ ins Herz schloss. Doch die Zeiten wie die Onkelz haben sich geändert. Seit bald zwanzig Jahren musizieren die Onkelz gegen ihr Image als dumpfe Skin-Kapelle an, so erfolgreich, dass sie inzwischen längst im Mainstream angekommen sind – und so geschickt, dass sie ihr eigentliches Kapital beibehalten haben. Denn stellvertretend für ihre distinktionshungrige Gefolgschaft markieren sie die opponenten Outlaws. „Der finale Arschtritt für die etablierte Musikszene!“, jubeln denn auch die Fans im Internet, ein grandioses Missverständnis. Die Böhsen Onkelz sind Big Business, das im zerlumpten Gewand der Underdogs daherschleicht. Auch das gegenwärtige Gerede ist gut fürs Geschäft.

Und die Stones? Wollen davon nichts gewusst haben und „denken zurzeit über Alternativen nach“, erklärte ein Sprecher dieser Band, die ihre eigene Leck-mich-Haltung nicht nur im Logo trägt, sondern auch als Markenzeichen zu konservieren verstand. Womöglich braucht’s aber gar keine Alternative. Womöglich ist die Kluft zwischen Stones- und Onkelz-Freunden ganz profaner, weil pekuniärer Natur. Für billigstens 65 Euro gäbe es für manche zwar ein einmaliges Onkelz-Erlebnis, aber dafür spielen die Stones vielen Onkelz-Fans ganz klar zu schlecht. ARNO FRANK