DIE ATTENTATE VON MADRID WÄREN VERMEIDBAR GEWESEN: Spanien liegt nicht an der Peripherie

Seit 1995 lagen den spanischen Behörden Hinweise auf Aktivitäten radikaler Islamisten im Lande vor. Nach den Anschlägen in Washington und New York am 11. September 2001 wurden immer wieder Al-Qaida-Zellen ausgehoben. Doch die meisten der Verhafteten sind längst wieder auf freiem Fuß. Auch gegen Dschamal Sugam, den mutmaßlichen Kopf der Bande, die die Bomben in den Pendlerzügen deponierte, wurde schon einmal ermittelt. Damals, 2002, hatte Frankreich um Amtshilfe gebeten, und in Sugams Wohnung wurden Telefonnummern hoher Al-Qaida-Männer in Spanien gefunden. Die Kontakte führen bis hin zu den Islamisten, gegen die wegen der Vorbereitung des 11. September auf spanischem Boden ermittelt wird. Außerdem fanden die Ermittler Hinweise auf Kontakte zu den Islamisten, die später das Blutbad in Casablanca organisierten.

Dann kam Sugam frei. Selbst wenn das berechtigt war, müssen sich die spanischen Behörden fragen lassen, warum bekannte Islamisten nicht genügend überwacht wurden. Der Grund dafür scheint in einer grundsätzlichen Fehleinschätzung und in der Haushaltspolitik zu liegen. Denn die spanischen Sicherheitsexperten sahen ihr Land nur als Ruheraum für Schläferzellen und für Gruppen, die Infrastruktur für andere Islamisten zur Verfügung stellen. Die Behörden sammelten Informationen und gaben sie auch gerne international weiter. Dass Spanien selbst auf der Liste der Anschlagsziele stehen könnte, kam keinem Sicherheitschef in den Sinn – sie hielten Spanien einfach für Peripherie.

Zudem sind die Reihen der spanischen Polizei in Folge einer rabiaten Sparpolitik im Dienste der Maastrichter Stabilitätskriterien ausgedünnt worden. Der größte Teil der Anstrengungen ging in den Kampf gegen ETA, und das mit Erfolg. Doch zugleich werden viele Bereiche vernachlässigt, auch die Sicherheit in den großen Städten. Vor ein paar Monaten zog das Innenministerium gar die Hälfte der Polizeispezialisten für radikale Islamisten ab und führte sie anderen Aufgaben zu. Eine fatale Entscheidung. REINER WANDLER