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Archiv-Artikel

DIE ART, WIE IN DEN WIENER BEZIRKEN FREIE STELLFLÄCHEN FÜR AUTOS GESCHAFFEN WERDEN, GEFÄLLT NICHT ALLEN Kampf um das Parkpickerl

VON RALF LEONHARD

NEBENSACHEN AUS WIEN

Unsere Gasse besteht aus drei Häusern, einer Kirche und einem Schulhof. Sie bietet – bei etwas gutem Willen – 35 Parkplätze. Das sind weit mehr, als die Anwohner Autos haben. Trotzdem war fast immer alles zugeparkt. Seit 1. Oktober ist das anders. Zu jeder Zeit findet man ein freies Plätzchen. Ursache dieser wunderbaren Platzvermehrung ist die Einführung des „Parkpickerls“. Diesen Aufkleber kann nur beantragen, wer einen Wohnsitz im Bezirk nachweisen kann. Alle anderen dürfen ihren Wagen höchstens zwei Stunden abstellen und müssen mittels Kurzparkschein bezahlen.

Der Überschuss an Fahrzeugen hatte auch damit zu tun, dass diese Regelung in den zentralen Bezirken – innerhalb des Gürtels – schon seit den 1990er Jahren gilt. Pendler, Ausländer oder jene, die sich um die Pickerlgebühr drücken wollten, stellten ihr Fahrzeug im nächstgelegenen Bezirk ab und fuhren U-Bahn.

Unsere Gasse hat den Vorteil, dass gleich zwei U-Bahn-Linien in unmittelbarer Nähe liegen. Umso beliebter war sie als Gratisparkplatz. Das ist jetzt vorbei. Das Pickerl kostet zwar inklusive Bürokratieabgaben 225 Euro für zwei Jahre, doch ist das immer noch weit preiswerter als jede Parkgarage. Und wenn man nicht mehr zwanzig Minuten um die Blocks fahren muss, um eine Parklücke zu entdecken, spart man auch noch Treibstoff und Nerven.

Die Pickerlausweitung sollte also viele Menschen glücklich machen. Weit gefehlt. Das vor allem von den Grünen vorangetriebene Projekt der rot-grünen Landesregierung traf auf den erbitterten Widerstand nicht nur der Autolobby, sondern auch der Rathausopposition. Zuerst wetterte die FPÖ, dann sprang der neue ÖVP-Chef auf die Kampagne auf. Binnen kürzester Zeit wurden 150.000 Unterschriften gegen das Pickerl gesammelt. Die darniederliegende Wiener ÖVP konnte in den Umfragen plötzlich spürbar zulegen. Man forderte eine Volksabstimmung über die Ausweitung der Pickerlzonen, und die wäre angesichts der aggressiven Stimmung mit großer Sicherheit gegen das Pickerl ausgegangen.

Statt zurückzurudern, wie viele in der SPÖ rieten, verschanzte sich die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou hinter einer Bestimmung der Stadtverfassung, wonach über Gebührenfragen kein Referendum zulässig ist. Vielmehr überlegt sie bereits laut, die Pickerlzonen weiter auszudehnen: in jene Randbezirke, wohin jetzt der Verdrängungswettbewerb an den Straßenrändern verlagert wurde und viel böses Blut schuf.