DIE ARBEITENDEN BEI DAIMLER KÄMPFEN NICHT NUR FÜR SICH ALLEIN : Der entscheidende Konflikt
„Es ist Krieg“ stand gestern auf einem Schild vor dem DaimlerChrysler-Werkstor. Ein Arbeiter drückte damit die Stimmung in der Belegschaft aus. Und er hat damit Recht. Dadurch, dass die hoch profitable Mercedes-Sparte von Daimler nun auch längere Arbeitszeiten und niedrigere Löhne diktieren will, ist die entscheidende Phase im derzeitigen Kampf zwischen Arbeitenden und Unternehmern ausgebrochen. Es handelt sich nicht um Not leidende Ostbetriebe oder mit Koreanern konkurrierende Handymontierer wie jüngst bei Siemens. Es handelt sich um „den Daimler“, einen Motor des Wirtschaftswunders. Und die stolzesten Mitglieder der stolzesten Einzelgewerkschaft, der IG Metall. Wenn die Mercedes-Arbeiter nachgeben müssen, müssen alle nachgeben in Deutschland.
Derart hoch ist der Einsatz, und derart hoch ist auch das Propagandagewitter. Gut getimt haben Industrieführer des ganzen Landes Interviews gegeben, in denen von 42-Stunden-Woche, Rentenalter 67, Sozialhilfe um ein Viertel kürzen oder Arbeitslosengeld nur noch für ein paar Monate die Rede ist. Den Gürtel enger zu schnallen reicht nicht mehr, die Hosen müssen runter, so die Botschaft. Und: Es warten nicht nur Koreaner oder Chinesen auf die Jobs, sondern auch ein paar Millionen Arbeitslose gleich nebenan. In diesem Klima der Angst scheint für die Arbeitgeber alles möglich.
Gerade bei Daimler könnten sie sich aber irren. Denn erstens sind in Stuttgart 90 Prozent in der Gewerkschaft, bei Siemens nur ein Drittel. Das Ausmaß der Arbeitsniederlegungen war gestern entsprechend groß. Und zweitens können die Chefs mit dem Stern die Gewerkschaften nicht unbegrenzt reizen. Arbeitnehmer stellen die Hälfte der Sitze im Aufsichtsrat, nur mit ihrer Hilfe kann Vorstandschef Jürgen Schrempp überleben, angesichts der Baustellen im Konzern wie Chrysler und Mitsubishi. Es könnte also auf einen Kompromiss hinauslaufen. Der Weg ist eigentlich schon vorgezeichnet: Die Mercedes-Führung hat 500 Millionen Euro Einsparungen gefordert, 180 Millionen hat die Gewerkschaft schon im Vorfeld angeboten. Da ist eine Einigung möglich. Der Kampf um Arbeitszeit und Löhne wird danach allerdings weitergehen. REINER METZGER