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Archiv-Artikel

DIE ABSTIMMUNGSSCHLAPPE KRATZT AN TONY BLAIRS AUTORITÄT Vorwärts in den Untergang

Das parlamentarische Scheitern von Tony Blairs geplanter Verschärfung der britischen Antiterrorgesetze hat Bedeutungen, die weit über Sachfragen hinausgehen. Natürlich ging es einer Mehrheit der Abgeordneten zunächst einmal darum, dass drei Monate Untersuchungshaft ohne Anklage statt wie bisher zwei Wochen für Terrorverdächtige zu viel sind. Sie stimmten daher für eine Verlängerung auf vier Wochen und äußerten damit eine gesunde Skepsis gegenüber den Machtansprüchen von Polizeifunktionären, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, die Terrorgefahr in Großbritannien auf die leichte Schulter zu nehmen.

Doch es ging im britischen Unterhaus am Mittwochnachmittag um weit mehr. Zum ersten Mal nach acht Jahren an der Macht hat Premierminister Blair eine wichtige Abstimmung im Parlament verloren. Seine Niederlage fiel deutlich aus, und der siegreiche Gegenantrag kam nicht etwa von der Opposition, sondern aus der eigenen Fraktion. Zum ersten Mal haben Blairs Gegner innerhalb der Labour-Partei es also geschafft, eine politische Position zu beziehen, die gegenüber der des Premiers mehrheitsfähig ist.

Deswegen untergräbt das Votum des Unterhauses die Autorität Blairs insgesamt. Der New-Labour-Chef hat seinen skrupellosen und autoritären Umgang mit Identität und Struktur Labours immer damit begründet, dass nur so die Partei überhaupt noch Wahlen gewinnen könnte. Das zieht jetzt nicht mehr. Schon während des Wahlkampfes vor der Parlamentswahl im Mai ertrug die Partei Blair nur noch als notwendiges Übel. Jetzt verschwindet daraus sogar die Notwendigkeit.

Sind also Blairs Tage als Premierminister gezählt? Dafür ist es zu früh. Auch wenn er noch so häufig im Unterhaus verlieren sollte, dürfte Blair weitermachen wollen, und wenn um ihn herum alles in Scherben fällt. Er wird sich für ein verkanntes Genie halten, das mit der Undankbarkeit jener zu kämpfen hat, die ihm ihre Karrieren verdanken. Er wird damit zum Teil sogar Recht haben. Aber gerade als Rechthaber wird Blair früher oder später untergehen. DOMINIC JOHNSON