DER STREIT BEI VW OFFENBART DIE SCHWÄCHE DER ARBEITNEHMER : Spätfolgen eines Skandals
Als Sicherung von „Jobs und Standorten“ feierte die IG Metall im November vergangenen Jahres den „Zukunftstarifvertrag“. Das finanzielle Ergebnis für die VW-Werke war seinerzeit mehr als mäßig: Sie akzeptieren bei einer Einmalzahlung von 1.000 Euro 28 Monate ohne Lohnerhöhung, weitaus niedrigere Einkommen für Neueingestellte und verzichteten sogar auf einen Großteil ihrer Überstundenzuschläge.
Als einzige wirkliche Gegenleistung bot Volkswagen eine Arbeitsplatzgarantie in den sechs westdeutschen VW-Werken. Dazu wurden für jedes Werk Betriebsvereinbarungen über Investitionen und jeweils zu fertigende Modelle abgeschlossen. Zu den Modellen, die dem Stammwerk in Wolfsburg zugeschlagen wurden, gehörte auch der Geländewagen, um den jetzt gestritten wird.
Zehn Monate später ist der teuer erkaufte Tarifvertrag kaum noch das Papier wert, auf dem er ausgefertigt wurde. Am Stammsitz Wolfsburg will VW-Vorstand Wolfgang Bernhard das Auto nur noch produzieren, wenn dafür die Löhne in der Gelände-Golf-Produktion ordentlich gesenkt werden für alle auf das Niveau, das der Zukunftstarifvertrag eigentlich nur den Neueingestellten zugedacht hatte. Das Ganze nennt man schlicht Erpressung.
Und diese Erpressung Bernhards wird zumindest zum Teil von Erfolg gekrönt sein. Anders als in früheren Jahren hat das VW-Management mittlerweile mit der Christian Wulff geführten niedersächsischen Landesregierung einen Hauptanteilseigner hinter sich, der in der Senkung der Löhne ein wirtschaftspolitisches Allheilmittel sieht. Noch schwerer wiegt, dass Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretung bei Volkswagen durch die Affäre um Luxusreisen geschwächt sind; zudem ist der Betriebsrat auf das Wohlwollen der Konzernspitze angewiesen, wenn der peinliche Skandal beigelegt werden soll.
Die Folgen tragen die Beschäftigten: Bei der IG Metall denkt man nun vor allem darüber nach, wie man bei VW die Kosten senken kann, ohne selbst das Gesicht zu verlieren. JÜRGEN VOGES