DER SPD-VORSITZENDE SUCHT NACH PROFIL UND HAT DABEI NOCH RECHT : Beck und die Taliban
Kurt Beck hat ein Problem. Dem SPD-Vorsitzenden wird kein außenpolitischer Sachverstand zugetraut. Das muss sich ändern, wenn er Kanzlerkandidat werden will. Dass es eine gute Idee ist, sich kurzfristig zu ganz unterschiedlichen Themen mit überraschenden Thesen zu Wort zu melden, kann bezweifelt werden. Allzu nahe liegt der Verdacht, da wolle sich jemand einfach schnell profilieren, notfalls auch mit populistischen Mitteln. Über die Qualität der Thesen sagt das aber noch nichts aus. Auch Kurt Beck kann recht haben mit einer außenpolitischen Einschätzung der Lage. Mit seiner Forderung nach einer Friedenskonferenz für Afghanistan hat er recht.
Ihm zu widersprechen ist einfach: Man könne nicht mit Leuten wie den Taliban verhandeln, die der Idee eines steinzeitlichen Despotismus anhängen und ihre potenziellen Gesprächspartner aus dem Westen am liebsten tot sehen würden. Schön. Aber was ist die Alternative? Eine begründete Hoffnung auf einen militärischen Sieg in Afghanistan äußert im Hintergrundgespräch derzeit niemand in Berlin, der sicherheitspolitische Kompetenz für sich beansprucht. Die Tornados werden nur deshalb ins Kriegsgebiet geschickt, weil die Bundesregierung hofft, damit eine Nato-Forderung nach Bodentruppen abwehren zu können.
Eine langfristige Perspektive ist das nicht. Der Blick nach Somalia zeigt, wohin mangelnde Gesprächsbereitschaft führen kann: Der fehlende Wille, mit Islamisten zu reden, und der Irrglaube, diese Kraft militärisch besiegen zu können, hat in der Hauptstadt Mogadischu zu den schwersten Kämpfen seit 15 Jahren geführt. Die Lehre daraus: Wer Frieden für einen Wert an sich hält, kann nicht vermeiden, auch mit Leuten zu reden, die einem zutiefst zuwider sind.
In den Zeiten des Kalten Krieges galt diese Erkenntnis als Binsenweisheit. Nicht jede Erkenntnis, die seinerzeit gewonnen wurde, ist schon deshalb falsch, weil diese Ära vorbei ist. Die politischen Mittel, die dem Militär zur Verfügung stehen, sind begrenzt. Kurt Beck trägt dem Rechnung mit seiner Forderung nach einer Friedenskonferenz für Afghanistan. Das ist verdienstvoll. Egal, was für Motive ihn bewegen. BETTINA GAUS